96 Patienten zu viel

METHADONVERGABE Die Anwohner streiten heftig gegen Drogensubstitution am Dobben. Rechtlich ist an der Praxis nichts auszusetzen, die Polizei sieht die Lage entspannt

Eine Arztpraxis, die Methadon abgibt, ist „unzumutbar“ im Rembertiviertel, sagt die Bürgerinitiative

VON JAN ZIER

Die Kontrahenten sind unversöhnlich. Und auch die PolitikerInnen im Beirat Mitte, selbst der Vermittler und Ortsamtsleiter Robert Bücking konnten daran am Montagabend wenig ändern.

Da sind auf der einen Seite die AnwohnerInnen im Rembertiquartier. Sie wollen „auf gar keinen Fall“, dass in ihrem Viertel, Am Dobben / Ecke Fedelhören Methadon ausgegeben wird. Und das ist auf der anderen Seite der Arzt John Koc, der seit Jahresbeginn genau das macht, gemeinsam mit einer Kollegin. 96 drogenkranke PatientInnen werden hier substituiert, in einer Praxis, die zuletzt Gaststätte war.

Wolfgang Budde von der „Initiative Rembertiviertel“ findet das „unzumutbar“. Das Quartier sei „überfordert“ – die Belastungen schon durch Discomeile, die Straffälligenhilfe Hoppenbank und das nahe „Hell’s Angels“-Lokal „erheblich“. Außerdem würden in der Gegend „reichlich“ illegale Drogen gespritzt und gedealt, sagt Budde. Für ihn ist klar: Die Praxis „muss so schnell wie möglich weg“.

Doch so einfach ist das nicht: Rechtlich ist an der Wahl des Standortes nichts auszusetzen. Koc hat ihn wegen der guten Verkehrsanbindung ausgesucht, zuletzt saß er in der Schillerstraße, hinter der Disco „Stubu“. Dort wurden keine größeren Proteste laut, ebenso am Herdentorsteinweg, wo seit langem Methadon ausgegeben wird. Koc ist „überrascht“ vom Widerstand, nennt ihn einen „Sturm im Wasserglas“.

Laut Polizei ist die Kriminalitätsbelastung im kleinen Rembertiquartier „nicht so hoch“ wie die Bevölkerung annehme. Diese Entwicklung habe sich seit Eröffnung der Koc’schen Praxis auch „nicht verändert“. Lediglich eine gewisse „Vermüllung“ sei festzustellen gewesen, doch das habe sich mittlerweile gebessert.

Gerade die „ausstiegsorientierten“ Substituierten dürften „nicht stigmatisiert“ und mit Junkies „in einen Topf geworfen“ werden, sagt Alfred Liebig von der ambulanten Drogenhilfe. Man könne Substituierte auch nicht einfach „außer Reichweite bringen“. Bremen zählt über 4.000 Schwerstabhängige, gut 1.400 werden substituiert. Dafür gibt es 62 ÄrztInnen, die jeweils maximal 50 Menschen substituieren dürfen, bei Gemeinschaftspraxen ist die Gesamtzahl variabel.

„Die Qualität der Behandlung ist dort besser, wo viele PatientInnen behandelt werden“, sagt Silke-Marie Stroth aus dem Gesundheitsressort. Der Protest aus der Bevölkerung aber auch: Nicht nur im Rembertiviertel, auch in Bremen-Burg gibt es eine Bürgerinitiative. Dort werden mehr als 200 Drogenkranke an einem Ort betreut – selbst Bürgermeister Jens Böhrnsen sprach sich gegen eine „Großvergabestelle“ aus. In Burg bestehe „Handlungsbedarf“, so Böhrnsen. Doch den Behörden seien die Hände gebunden.

Die Politik könne nicht dafür sorgen, dass eine Praxis wie die von Koc geschlossen oder verlegt werde, sagt auch der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Mustafa Öztürk. Wie der Beirat, so will auch Öztürk die Zahl der Substituierten je Praxis „deckeln“. Der Bürgerinitiative ist das zu wenig.

Der Beirat Mitte plädiert für „gegenseitige Verständigung“ – fordert aber zugleich die Gesundheitsverwaltung auf, „bessere Standorte zu suchen“. Eine Verlegung käme nur in Frage, wenn Koc das auch will. Der sieht dafür aber trotz persönlicher Anfeindungen bislang keinen Anlass.