Betreiber Karsten Schölermann zum Clubsterben: "Ruinierte Existenzen"

Die Clubs unter der Sternbrücke müssen schließen. Ein Gespräch mit Karsten Schölermann über die kulturelle Passion der Betreiber und die Förderpolitik der Stadt.

Hat es längst hinter sich: Der legendäre Star-Club wurde 1986 abgerissen. Bild: dpa

taz: Herr Schölermann, vermutlich machen jetzt mit dem Waagenbau, der Astra-Stube und dem Fundbureau drei wichtige Clubs zu. Was bedeutet das für Hamburg?

Karsten Schölermann: Erstmal steht Hamburg noch vergleichsweise gut da. Die mittlere Fluktuation, also der Zyklus, in dem ein Club öffnet und wieder schließt, ist hier mit sieben Jahren nicht ganz so dramatisch wie in Berlin oder München. Ansonsten ist das Stichwort "Clubs machen zu" ein begleitendes Merkmal der hiesigen Clublandschaft und das ungefähr seit 25 Jahren.

Was sagen die Kulturpolitiker dazu:

betreibt seit mehr als 30 Jahren das "Knust". Der Musikclub musste 2001 umziehen - drei Jahre später fand er am Schlachthof ein neues Domizil.

Meistens nur: "Das ist halt so." Was wir natürlich überhaupt nicht so sehen. Wir weisen darauf hin, dass am Ende immer ruinierte Existenzen dastehen, Menschen, die ihr Privatkapital verloren haben, oder mit extrem hohen Schulden als Steuerflüchtlinge aus dem Land gejagt werden.

Was muss sich ändern?

Fast alles. Zuerst die Einschätzung unserer Tätigkeit, etwa dass man uns als Diskothekenbetreiber sieht, die sich die Taschen voll stopfen, Drogen nehmen und schlechte Kaufleute sind. Musikclubs sind aber keine kommerziellen Betriebe, es sind Kulturbetriebe - die bislang nur funktionieren, weil es Menschen gibt, bei den die kulturelle Passion den Sieg über die Selbsterhaltung davon trägt. Es ist strukturell unmöglich, mit Musikclubs Geld zu verdienen. Es gibt sie nur, weil es Selbstausbeutung gibt.

Wie kommt das?

Wir leiden unter Strukturlasten, die kein anderes Kulturgewerbe hat. Quellensteuer, Abgaben an die Künstlersozialkasse oder die Gema-Gebühren: Wir werden in einem Tarif eingeordnet, der für Tanzmusik in Hotelfoyers geschaffen wurde. Wir machen aber keine Unterhaltung, wir machen Präsentation. Wir halten Kulturressourcen vor. Wir bilden Nachwuchs aus, auch den der Gema und werden dafür bestraft.

Nun hat sich Schwarz-Grün eine neue Förderpolitik auf die Fahnen geschrieben.

Ja, nachdem wir uns den Grünen an den Hals geschmissen haben. Das war eine Verzweiflungstat der Clubs, die jetzt Früchte tragen könnte…

mit dem Gema-Livemusikfonds, der den Clubs die Gebühren erstatten soll.

Das Modell ersetzt die abstrusen Clubprämien für das angeblich beste Programm, die in den letzten Jahren die Musiklandschaft mehr zerstört als unterstützt haben. Es ist aber nur ein erster Schritt.

Jetzt gründet die Kulturbehörde gerade eine "Kreativagentur", die unter anderem Immobilien vermitteln will.

Das halte ich für den falschen Ansatz. Gäbe es einen militanten Bestandsschutz, wäre das Problem der Ausweichimmobilie hinfällig. Jetzt zum Beispiel: Wieso kommt die Bahn nicht auf die Idee, zwei, drei Millionen mehr auszugeben und eine Konstruktion zu finden, die die Clubs an der Sternbrücke erhält? Wieso kann die Bahn überhaupt darüber nachdenken, Stützpfeiler durch die Clubs zu bauen?

Weil ihr die Immobilien gehören.

Und? Jede Spinatwachtel ist per Naturschutz geschützt, warum kulturelle Räume nicht? Sind sie es nicht wert? Ich dachte, es habe sich langsam herumgesprochen, dass an diesen Stellen junge Leute davon abgehalten werden, Vattenfall-Autos anzuzünden.

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