Krebs im Knast

Ein Krebskranker starb allein in seiner Gefängniszelle, weil die Staatsanwaltschaft eine Haftunterbrechung ablehnte. Justizsenator Steffen will die dafür verantwortliche interne Dienstanweisung seines Vorgängers sofort ändern

GAL-Justizsenator Till Steffen hat seinen ersten Skandal an den Hacken: Die Linkspartei brachte zutage, dass die Justiz einen schwer an Krebs erkranken Inhaftierten allein in seiner Zelle hatte sterben lassen. „Wir fordern die vorbehaltslose Aufklärung des Justizskandals im Rechtsausschuss“, kündigte Christiane Schneider von der Linkspartei an.

Der 56-jährige Klaus G. verbüßte in der JVA Billwerder eine 22-monatige Haftstrafe wegen Betrugs. Der Knastleitung war von Haftantritt an bekannt, dass G. an Krebs erkrankt war. Im Juli verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends, so dass die JVA Billwerder bei der Staatsanwaltschaft eine Haftunterbrechung anregte. Diese ist bei schwer Erkrankten nach Strafprozessordnung möglich.

Zudem wurde auf eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts hingewiesen, wonach eine Haftunterbrechung zur Achtung der Menschenwürde bei todkranken Gefangenen auch dann geboten sei, wenn die Krankheit im Gefängniskrankenhaus (ZKH) behandelt werden könne. Am 28. Juli untermauerte die ZKH-Vollzugsleiterin die Forderung, als sich Gs Zustand dramatisch verschlechterte und regte eine baldige Verlegung in ein Hospiz an.

Doch die Staatsanwaltschaft lehnte das Ansinnen ab. Sie berief sich auf eine interne Dienstanweisung, die der ehemalige CDU-Justizsenator Carsten Lüdemann im Dezember 2007 erlassen hatte. Demnach sollten auch Kranke möglichst lange schmoren. Zwei Tage später starb G.

Der neue Justizsenator Steffen hat das Verhalten der Staatsanwaltschaft kritisiert: „Die Entscheidung hätte anders ausfallen müssen.“ Steffen kündigte an, die geerbte Dienstanweisung umgehend zu überarbeiten, so dass „die Normen zur Haftunterbrechung aus humanitären Gründen klar sind“.

Die Linkspartei möchte im neuen Strafvollzugsgesetz, wie Schneider sagt, „eine eindeutige Regelungen verankern, die ein unwürdiges Sterben im Gefängnis ausschließt.“ KAI VON APPEN