Einen Euro Lohn von der netten Familie

Eine Chilenische Frau, die in einer hanseatischen Familie als Haushaltshilfe unter prekären Verhältnissen gearbeitet hat, klagt vor dem Arbeitsgericht auf Lohnnachzahlung. Gewerkschaft Ver.di spricht gar von Ausbeutung

Haushaltshilfe ist oft ein prekärer Job. Besonders ausländische Frauen sind hier leicht ausbeuterischen Bedingungen ausgesetzt. Ein Thema für die Gewerkschaft Ver.di: In einem Präzedenzfall klagt die Dienstleistungsgewerkschaft nun vor dem Arbeitsgericht den Lohn von Ana Gonzales (Name geändert) aus Chile ein – die Forderung: 47.000 Euro Nachzahlung.

Familie A. aus Hamburg ist wohlhabend und hat unter anderem Lateinamerika bereist. So kam es, dass sie sich 2004 die heute 27-Jährige Ana – Mutter zweier Kinder – als Au-Pair-Mädchen nach Hamburg holten. 350 Euro Taschengeld im Monat für täglich vier Stunden Arbeit wurden vereinbart, Kost und Logis frei. Doch tatsächlich musste Gonzales sehr viel mehr arbeiten. Bis zu zehn Stunden am Tag, sieben Tage der Woche, war Ana nach eigenen Angaben im Einsatz: Sie putzte im Haushalt, hütete die drei Kinder – auch nachts – oder reinigte den Swimmingpool.

Auch als ihr Visum ablief, blieb Ana bei Familie A. – insgesamt 39 Monate. In diesem Zeitraum zahlte die Familie ihr insgesamt 14.000 Euro, wovon sie 8.200 Dollar an ihre Familie nach Chile überwies. 39 Monate lang hatte Gonzales für einen Euro die Stunde gearbeitet. Erst im vergangenen Sommer erkannte sie diese Ungerechtigkeit und trat in die Gewerkschaft ein. Ihr sei „klar geworden, dass man in Deutschland nicht für einen Euro arbeitet“, sagt ihr Anwalt Timm Kreyer.

Arbeitsrichterin Mascow tat sich anfangs schwer mit dem Fall und fragte sich, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. „Man war sich doch offenbar einig“, so Mascow. „Diese Vereinbarung war aber sittenwidrig“, hielt Anwalt Kreyer entgegen. Ver.di-Sekretär Peter Bremme spricht von „Ausbeutung“.

Vor Gericht waren sich A.s keiner Schuld bewusst und verwiesen auf das nette Familienleben. „Es wurde nie angesprochen, dass die Bezahlung nicht stimmt“, sagte Herr A. „Sie war eine Tochter für mich“, ergänzte seine Ehefrau. Gonzales habe eine enge Beziehung zu den Kindern gehabt, man habe gemeinsam Weihnachten gefeiert.

Dass nicht alles in Ordnung war, räumen die Anwälte der Familie offenbar ein: 12.000 Euro und ein Ticket ihn die Heimat soll Gonzaels erhalten, so lautet ihr Angebot. Das lehnt sie bislang ab. Richterin Mascow schlug daher gestern vor, den Konflikt in einem Mediationsverfahren beizulegen – ehe es zu einem harten und zerrüttenden Prozess komme. KAI VON APPEN