Erstaunlich offen

In der Innenpolitik geraten die Grünen immer mehr in die Bredouille. So war die Rote Flora-Razzia von der Polizei intern vorbereitet worden. Und auch der Wanderkessel gehört weiter zum Repertoire

VON KAI VON APPEN

Die Polizei-Razzia im autonomen Kulturzentrum Rote Flora am 6. Juli durch 370 BeamtInnen ist längerfristig vorbereitet worden. Das hat der Hamburger Senat in einer Antwort indirekt bestätigt, mit der er auf eine kleine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linken, Christiane Schneider, reagierte. „Einsatzabläufe am Beispiel des Objektes Schulterblatt 84 sind nicht Bestandteil des Curriculums an der Hochschule der Polizei“, heißt es in dem Senatsschreiben, jedoch: „Tatsächliche Einsätze werden zum Teil auch in Dienstunterrichten nachbereitet.“

Schneider hatte sich auf einen entsprechenden taz-Bericht bezogen, der zwei Tage nach der Razzia erschienen war. Unter Berufung auf Polizei-Insider hieß es dort, die am Mittag des 6. Juli angeordnete Stürmung sei in Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen der Polizei vorbereitetet worden. Dadurch sollten Polizisten in die Lage versetzt werden, das Kulturzentrum so zu stürmen, dass eventuelle Klagen aussichtslos wären. „Die Lehrinhalte des Curriculums werden anhand praktischer Einsatzbeispiele aufbereitet“, heißt es in dem Schreiben des Senats.

Sowie – wie an jenem 6. Juli geschehen – ein mutmaßlicher Täter in das Gebäude flüchte, heißt es in einem Szenario, solle sofort über Funk Meldung gemacht werden, damit die Maßnahmen einer späteren Untersuchung standhielten. Dabei sollte immer der Eindruck vermittelt werden, dass durch den Einsatz zusätzlicher Kräfte oder die Umstellung des Objektes eine Flucht der mutmaßlichen Täter unmöglich gewesen sei. Dann könne eine Razzia auch Stunden später rechtlich begründet werden. Laut taz-Informationen soll dies Einsatzführer Hartmut Dudde in mehreren Dienstbesprechungen der Landes- und Bereitschaftspolizei geäußert haben. „Der Leiter der Bereitschaftspolizei hat keinen Lehrauftrag an der Hochschule der Polizei und dort auch keine Vorträge in diesem Sinne gehalten“, sagt der Senat nun. Das hatte die taz aber auch nicht behauptet.

Des Weiteren geben Senat und Innenbehörde mehr oder weniger offen zu, gegen den schwarz-grünen Koalitionsvertrag verstoßen zu haben. So ist eine Spontandemo am Abend der Rote Flora-Razzia entgegen der schwarz-grünen Vereinbarung vorbeugend eingekesselt worden. „Der Aufzug wurde seitlich abgesetzt sowie vorne und hinten durch Polizeikräfte begleitet“, gibt der Senat unverhohlen zu. Der Koalitionsvertrag sieht hingegen ein derartiges Vorgehen nur als ultima ratio vor. Dort steht: „Eine enge polizeiliche Begleitung von Aufzügen erfolgt nur ausnahmsweise auf der Grundlage einer sorgfältigen Gefahrenprognose.“

Die Linksfraktion sagte, sie sei erstaunt, wie offen die Innenbehörde zugeben hat, „dass sie dem grünen Koalitionspartner sagt, wo lang es geht“, so Schneider. Die Innenexpertin der Grünen, Antje Möller, war ebenfalls über das martialische Vorgehen der Polizei erstaunt: „Mir ist es nicht möglich, diese Gewalt-Einschätzung nachzuvollziehen“, sagt sie ein wenig ratlos.

Die Linke erwartet jetzt von den Grünen Courage. „Wir sind sehr gespannt, ob sich die Grünen auf die Hinterbeine stellen“, frotzelt Schneider. „Dabei würden wir die Grünen gerne unterstützen.“