Die Farben der Macht

Das Regierungsprogramm des schwarz-grünen Senats wird mithilfe farbiger Blätter abgearbeitet. Nach 100 Tagen ist die Stimmung in der Koalition ungebrochen gut. Aber bald geht es ums Geld

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Ein städtischer Haushalt ohne neue Schulden und Steuererhöhungen: rot. Die Einführung von Anti-Konflikt-Teams bei der Polizei ist ein Fall für gelb. Und die Abschaffung der Hauptschule ist grün. Die drei Ampelfarben strukturieren das stetig wachsende Werk, das der Leitfaden für die schwarz-grüne Koalition in Hamburg ist. Das „Operationalisierte Regierungsprogramm“, kurz Opreg, ist eine stetig wachsende Loseblatt-Sammlung, geführt in der Senatskanzlei, in der penibel aufgelistet wird, wie es um die Umsetzung des Koalitionsvertrages steht.

Am heutigen Donnerstag, dem 100. Tag des CDU-GAL-Senates, hat die To-Do-Liste etwas mehr als 150 Blatt. Sämtliche Projekte enthält sie, fortlaufende Berichte geben Auskunft über einzelne Umsetzungsschritte, Zeitpläne, Hindernisse und Problemlösungsvorschläge. Das meiste ist noch als unerledigt rot markiert, einiges wurde auf den gelben Weg gebracht, und das Ziel ist, in vier Jahren ganz viel abgehaktes Grün zu präsentieren. „Das zeigt die Arbeitsebene, die wir gefunden haben“, sagt GAL-Fraktionschef Jens Kerstan, „und die ist sachlich und unaufgeregt.“

So freundlich und mitunter nahezu freundschaftlich geht es zu in der ersten schwarz-grünen Landesregierung in Deutschland, wie es die meisten der handelnden Akteure noch vor wenige Monaten selbst nicht für möglich gehalten hätten. Begriffe wie „Kuschelkurs“ oder „Wohlfühlkoalition“ weisen alle Beteiligten als polemisch zurück, sämtlich aber preisen sie den „respektvollen Umgang miteinander“. Es gebe in der Koalition, sagt Stadtentwicklungs- und Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL), „keinen Streit als Profilbaustein“. Und selbst CDU-Rechtsaußen und Innensenator Christoph Ahlhaus konstatiert nüchtern: „Trotz mancher inhaltlicher Differenzen gibt es eine große Transparenz und Ehrlichkeit.“

Als Beispiel gelten die vielen repräsentativen Termine der Zweiten Bürgermeisterin Christa Goetsch (GAL), während Regierungschef Ole von Beust (CDU) noch im Urlaub weilt. In der rot-grünen Koalition 1997 bis 2001 wurde der Zweiten Bürgermeisterin Krista Sager selbst bei Abwesenheit von SPD-Bürgermeister Ortwin Runde kaum ein publikumswirksamer Auftritt gegönnt. Verbissen wurde sie von Rundes Senatsstaatsrätin Gitta Trauernicht, jetzt SPD-Sozialministerin in Kiel, die dafür zu sorgen hatte, dass die medienträchtigen Auftritte den GenossInnen vorbehalten wurden.

Bei Schwarz-Grün hingegen ist „die Grundstimmung ausgeprägt positiv“, sagt Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), „die Substanz reicht für vier Jahre“, glaubt Ahlhaus. Die Vertrauensbasis dafür wurde in den Koalitionsverhandlungen im März und April gelegt. „Die sind ja richtig handzahm“, wunderte sich damals ein grüner Unterhändler, der als Skeptiker in die Gespräche gegangen war. „Die sind ja richtig nett, Ihre Grünen“, sagte auch der Bürgermeister nach einem langen Verhandlungstag der taz. Inzwischen sind aus seinem Umfeld ausnahmslos lobende Worte über die grünen Regierungsmitglieder zu hören: „Die Qualität im Senat ist deutlich gestiegen.“

Durchaus nüchterner bilanziert die grüne Seite nach den ersten 100 Tagen. Hajduk nennt es „Verlässlichkeit“, Kerstan konstatiert „sehr erfreut, dass noch keiner versucht hat, uns zu hintergehen“. Und doch weiß nicht nur Hajduk, „dass die richtige politische Phase erst noch kommt“.

Die Haushaltsklausur des Senats am 2. und 3. September ist der erste wirkliche Prüfstein für diese Koalition, denn beim Geld – vor allem, wenn es knapp ist – hören nicht selten Freundschaften auf. Vielleicht selbst die zwischen dem Bürgermeister und CDU-Finanzsenator Michael Freytag, der noch nicht erkennen ließ, wie er das Milliardenloch im Stadtsäckel ohne Kredite und höhere Steuern stopfen will. Und wenige Tage später muss Hajduk entscheiden, ob das Kohlekraftwerk Moorburg gebaut werden darf oder nicht.

Danach werden dem Opreg zwei neue Blätter hinzugefügt. Welche Farben sie haben werden, ist noch offen.