Museum aus dem Versteck holen

Lisa Kosok, seit einem halben Jahr Leiterin der Museums für Hamburgische Geschichte, möchte das Museum wieder zum Park hin öffnen. Außerdem soll Architektur einer der Schwerpunkte werden

Die 400-jährige jüdische Geschichte Hamburgs fokussiert die jüngst wieder eröffnete jüdische Abteilung. Sie präsentiert etwa die Einwanderung der Sepharden um 1600 sowie einen Synagogenraum. Frappierend der Kontrast zwischen der Kaisertreue jüdischer Soldaten und dem folgenden Antisemitismus. Schlusspunkt ist ein Foto des Hannoverschen Bahnhofs, von dem aus die Nazis Juden, Sinti und Roma deportierten. PS

VON PETRA SCHELLEN

„Manchmal stehe ich in diesem nach Westen zeigenden Ausstellungsraum, schaue in den Sonnenuntergang und denke: Welch eine architektonische Qualität!“ Es ist Lisa Kosok, seit Juli 2008 Leiterin des Museums für Hamburgische Geschichte, die das sagt, und sie ist eigentlich eher pragmatisch als ehrfürchtig.

Aber von Fritz Schumachers Bau ist sie doch beeindruckt – der sei durchdacht und hanseatisch zugleich. In artigem Abstand vom Holstenwall liegt die dezente Fassade; die drei wuchtigen Museumsflügel finden sich im Park – den Wallanlagen, die mit dem Museum konzipiert wurden. „Was woanders Schloss und Park ist, sind hier Museum und Wallanlagen“, sagt Kosok.

Nur, dass woanders der Park deutlich auf das Schloss als wichtigstes Gebäude verweist. Zur Erbauungszeit taten das auch die Wallanlagen: Da erhob sich das Museum frei übers flache Gebüsch. Inzwischen verhindert die Wallanlagen-Flora jede Fernsicht auf das Gebäude. „Das muss anders werden“, findet Kosok und hat daher mehrere Landschaftsarchitekten engagiert.

Auch die Tatsache, dass von den vier Eingängen nur noch einer genutzt wird, wurmt sie. Zwei der Portale führen nämlich zu den Wallanlagen hinaus, einer davon auf eine Terrasse. Das Museum war einst als nach allen Seiten offenes Haus gedacht.

Inzwischen wirkt es recht verhuscht: Die Türen sind verriegelt, das Zusammenspiel mit dem Park vergessen, der Dauerausstellung fehlen Frische und Stringenz. Dass man im Erdgeschoss etwa plötzlich auf Kostüme des 18. Jahrhunderts trifft und ein paar Meter weiter gedankenlos am berühmten, aber versteckten barocken Modell des Salomonischen Tempels vorbeigeht, befremdet. „Das wollen wir ändern“ sagt Kosok, die auch Vorstandsvorsitzende der Stiftung Historische Museen Hamburgs ist, zu der auch das Altonaer Museum, das Helms Museum und das Museum der Arbeit zählen.

Alle vier Häuser zu profilieren ist ihr Auftrag, und hier zeigt sich das erste Problem: Wie will sie das Museum für Hamburgische Geschichte zum zentralen Stadtmuseum Hamburgs machen, zumal die anderen Häuser ihre Hamburg-Themen beibehalten werden? „Wer hier weggeht, soll ein Porträt Hamburgs mitnehmen“, sagt Kosok. „Er soll wissen, was für diese Stadt spezifisch ist.“ Deshalb möchte sie den chronologischen Rundgang um markante Schwerpunkte anreichern. Einerseits schweben ihr da Katastrophen und die folgenden Innovationsschübe vor. „Ohne den Brand von 1841 hätte man nie so schnell Kanalisation und Gasversorgung installiert. Und die Verbesserung von Siel- und Wasserqualität war ein Ergebnis der Cholera-Epidemie von 1892“, sagt Kosok. „Andererseits wäre die Cholera nicht ausgebrochen, wenn man rechtzeitig Wasserfilter eingebaut hätte.“ Darauf aber hatten sich Senat und Bürgerschaft jahrzehntelang nicht einigen können. „Da kann man sich schon fragen, ob diese Trägheit für eine bestimmte politische Klasse im Hamburg des 19. Jahrhunderts typisch war“, sagt Kosok. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf dem Engagement Einzelner liegen, das man durchaus mal herausstellen könne. „Das kann Ida Ehre sein, aber auch Senatoren oder Vorkämpfer der Arbeiterbewegung.“

Wichtigste Veränderung aber wird der Ausbau der architektonischen Abteilung sein. Das ist teils eine Profilierungsmaßnahme angesichts der Konkurrenz der anderen stadthistorischen Museen. Andererseits, so Kosok, „ein Aspekt, der hier gut aufgehoben ist“. Mit zwei Büros hat sich deshalb kürzlich das Architekturzentrum im Museum eingemietet; fortan will man gemeinsam Veranstaltungen und Sonderausstellungen planen. Gleich im diesjährigen Architektursommer wird das Museum für Hamburgische Geschichte zentraler Veranstaltungsort sein. Für die Vorträge eignet sich der alte, derzeit nur teilgenutzte Hörsaal des Museums – Relikt einer Zeit, in der Museumsdirektoren zugleich Universitätsprofessoren waren. „Otto Lauffer, der Gründungsdirektor des Museums, hatte den ersten volkskundlichen Lehrstuhl Deutschlands an der Hamburger Universität inne“, sagt Kosok.

Wann das Publikum sichtbare Veränderungen am Museum genießen kann, ist aber noch offen. Denn Umbauten kosten Geld, das bislang fehlt. Die Sichtbarmachung des Museumseingangs will Kosok allerdings bald betreiben. Fürs Erste hat sie schon mal ein Banner mit dem Museumslogo an einen Mast gehängt.