Der Staub aus dem All

Das Kino und die Wissenschaften haben seit jeher ein gesteigertes Interesse aneinander. Wie seriös Kinofilme mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen, untersuchten Wissenschaftler auf dem Filmfest Braunschweig, das gestern zu Ende gegangen ist

Braunschweig ist die diesjährige „Stadt der Wissenschaft“. Also bot es sich an, auch beim 21. Internationalen Filmfest Braunschweig, das gestern zu Ende ging, die Verbindungen zwischen Kino und den Wissenschaften zu betonen. In einer Programmschiene wurden sechs Filme mit meist naturwissenschaftlicher Problematik gezeigt und direkt im Anschluss hielt dann ein in Braunschweig ansässiger Spezialist einen Vortrag darüber, wie seriös das Thema im Film behandelt wurde.

Da das Kino selber ja ein sehr technisches Medium ist, bestand von Anfang an eine gegenseitige Faszination zwischen Film und Wissenschaft. Schon der erste fiktiv erzählende Filmemacher George Méliès zeigte eine Reise zum Mond, die Horrorfilme wurden seit den 1920er Jahren mit Mad Scientists bevölkert und Science Fiction ist nach wie vor ein beliebtes Genre.

In dem in Braunschweig gezeigten Klassiker „Jahr 2022 – die Überleben wollen“ von Richard Fleischer aus dem Jahr 1973 wird das Bild einer überbevölkerten Erde gezeichnet, in der die globale Bevölkerung völlig von den Produkten eines einzigen Lebensmittelkonzerns abhängig ist, dessen scheinbar vollsynthetischer Nährstoff „Soylent Green“ aus menschlichen Leichen extrahiert wird. Der Agrarwissenschaftler Uwe Meier bewertete den Film zwar streng als typisches Hollywoodprodukt jener Zeit, das wissenschaftlich nicht ernst zunehmen sei. Aber dann sah er doch interessante bio-ethische Parallelen zu aktuellen Entwicklungen: Heute gibt es drei große Konzerne, die den globalen Nahrungsmittelmarkt zu großen Teilen unter sich aufgeteilt haben, und wie die Firma „Soylent“ im Film politisch immensen Einfluss haben.

Im Film „Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All“, den Robert Wise 1971 drehte, droht ein unbekannter Virus aus dem All die Menschheit zu vernichten. Der Mikrobiologie-Professor Erko Stackebrand verblüffte das Publikum mit seiner These, dass solch eine Katastrophe zwar extrem unwahrscheinlich, aber dennoch möglich sei. Tatsächlich würden oft kleinste organische Teilchen auf die Erde treffen, und in deren Frühzeit wäre das Leben selber genau auf diesem Wege aus dem All auf unseren Planeten gekommen.

Der koreanische Zeichentrickfilm „Wonderful Days“ ist eine von vielen „Metropolis“-Variationen, in der eine zukünftige Gesellschaft ihre Energien völlig aus dem Wiederverwerten von Müll und Abgasen gewinnt, so dass die Herrschenden ein Interesse daran haben, die Umwelt so dreckig und schädlich wie nur möglich zu lassen. Obwohl der Film schnell zu der üblichen Action mit Schießereien und Verfolgungsjagden degeneriert, lobte der Abfallwirtschafter Florian Kölsch, dass in ihm ein Gedanke zugleich drastisch und elegant zu Ende gedacht worden wäre. Denn bei seiner eigenen Arbeit mit regenerativen Energien komme es weltweit immer wieder vor, dass die Abfallwirtschaft durchaus ein paradoxes Interesse daran habe, möglichst viel Müll zu produzieren, weil nur so die Anlagen voll ausgelastet werden können.

Werner Herzogs „The Wild Blue Yonder“ ist ein Filmessay, in dem viele Motive aus der Science Fiction mit dokumentarischem Filmmaterial der Nasa und Unterwasseraufnahmen aus der Arktis kombiniert wurden. Im Mittelpunkt steht eine Reise von Erdbewohnern auf einen fremden Planeten, und davon ausgehend gab Joachim Block, ein Fachmann für Raumfahrtstrukturen und extraterrestrische Physik, eine grundlegende Einführung zum Thema Reisen im Weltraum. Wie immens dabei die Entfernungen und Zeitspannen sind, wurde klar, als er von der Esa-Mission Rosetta erzählte, die darauf angelegt ist, innerhalb von zehn Jahren mit einer Sonde auf einem Kometen zu landen. Er stellte auch die Sinnfrage der Raumfahrt, und begründete deren Nutzen damit, dass man Phänomene wie den Treibhauseffekt, die Ozonschicht oder den Ursprung des Lebens nur dann analysieren könne, wenn man die Erde in einen kosmischen Kontext einbinde.

Wilfried Hippen