Haushaltspolitik in Krisenzeiten: Dem Norden brechen die Steuern weg

Länder müssen wohl mit viel weniger Geld auskommen als erwartet. Es sei versäumt worden, in den guten Jahren zu sparen, meint die Opposition.

Überbringer schlechter Nachrichten: Der Arbeitskreis Steuerschätzung bei der Arbeit. Bild: dpa

Die norddeutschen Bundesländer werden in den nächsten Jahren noch sehr viel weniger Geld einnehmen als bis vor kurzem angenommen. Das lässt sich aus einer Berechnung des Bundesfinanzministeriums ableiten, die jetzt bekannt geworden ist. Die ohnehin schon hohe Verschuldung der Länder wird sich weiter erhöhen, weil kaum einer in der Wirtschaftskrise durch Sparen die Konjunktur belasten will.

Die Steuerschätzung ist der Versuch, die Höhe der zukünftigen Steuereinnahmen anhand von volkswirtschaftlichen Kennzahlen zu ermitteln. Die Steuerschätzung wird seit 1955 halbjährlich im Mai und November vom Arbeitskreis Steuerschätzung vorgenommen.

Diesem Beirat beim Bundesfinanzministerium gehören unter anderem die fünf großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute, das Statistische Bundesamt und die Deutsche Bundesbank an. Der AK stützt seine Schätzungen auf gesamtwirtschaftliche Eckdaten der Bundesregierung. Auf dieser Grundlage werden dann die auf Bund, Länder und Kommunen entfallenden Einnahmen ermittelt.

Die aktuelle Schätzung für den Bund geht, soweit vorab bekannt geworden, von etwa 50 Milliarden Euro Mindereinnahmen in diesem Jahr aus. Bis 2013 könnten es 350 Milliarden Euro weniger werden. Diese Summe an nicht erzielten Einnahmen trifft auch - je nach Steuerart unterschiedlich stark - die Bundesländer. (taz)

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück rechnet für Bund, Länder und Gemeinden mit 50 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als geplant im Jahre 2009 - und in der Tendenz mit ähnlich schlechten Zahlen für die nächsten vier Jahre. Heruntergerechnet würde das für die einzelnen Länder Mindereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr bedeuten. Die Zahlen werden ab morgen im Arbeitskreis Steuerschätzung diskutiert, der am Donnerstag die für die Finanzplanung Ausschlag gebende Prognose verkünden wird.

Solange die endgültigen Zahlen nicht vorliegen, halten sich die Ministerien bedeckt. "Wenn das so kommt, ist das eine Summe, die man sicher nicht so einfach wegsparen kann", sagt Torsten Borchers, Sprecher des schleswig-holsteinischen Finanzministers Rainer Wiegard (CDU). Sein Land nimmt pro Jahr 500 Millionen Euro weniger ein, als es ausgibt. Um die Konjunktur zu stützen, hat der Landtag im März beschlossen, in den Jahren 2009 und 2010 420 Millionen Euro mehr auszugeben. Dazu werden jetzt wohl weitere 500 bis 700 Millionen Euro pro Jahr kommen. Der Rechnungshof erwartet, dass die Landesschulden bis 2012 von 23 auf 29 Milliarden Euro steigen werden - bei einem Jahreshaushalt von gut neun Milliarden.

"Es wird einen dramatischen Einbruch geben und der Finanzminister hat durch nichts Vorsorge getroffen", sagt FDP-Fraktionssprecher Christian Albrecht. Die rot-schwarze Koalition in Kiel habe es versäumt, in den vergangenen drei Jahren, als die Steuern sprudelten, Vorsorge zu treffen.

Den gleichen Vorwurf erhebt der Finanzexperte der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion Peter Tschentscher gegenüber der CDU und den Grünen. Der Hamburger Finanzsenator Michael Freytag ging im November noch von 237 Millionen Euro Mindereinnahmen aus. Auch hier dürften es 500 bis 700 Millionen werden. Ohne zusätzliche Schulden werde das wahrscheinlich nicht zu schultern sein, sagt Freytags Sprecher Daniel Stricker. "Wenn, dann aber mit einem ganz klaren Tilgungsplan."

Auch die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) geht davon aus, dass der Einbruch im laufenden Jahr kommt. Die Neuverschuldung war im Haushalt mit 679 Millionen Euro veranschlagt. Der nötige Nachtragshaushalt umfasst jetzt schon 90 Millionen - darunter 29 Millionen für das Konjunkturprogramm. Die Prognosen aus Berlin könnten noch einmal 200 Millionen Euro mehr an neuen Schulden bedeuten.

"Wie haben schon vor ein paar Wochen eine Haushaltssperre gefordert", sagt Thomas Röwekamp, der CDU-Oppositionsführer. Dass die in Rede stehende Summe damit nicht aufgefangen werden kann, ist klar.

Die niedersächsische Landesregierung hatte geplant, im Jahre 2010 ganz ohne Neuverschuldung auszukommen. Derzeit sind es bei einem Haushalt von 25,5 Milliarden "nur" 250 Millionen Euro. Bevor offiziell klar sei, was die Steuerschätzung für die Einnahmen des Landes bedeutet, habe es "keinen Zweck", sich über den Korrekturbedarf Gedanken zu machen, sagt der Sprecher des Finanzministers. Klar ist, dass aus den hehren Zielen für 2010 nichts wird.

"Wir wollen die schwarze Null halten und vielleicht sogar tilgen", sagt Stephan Bliemel von Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommerns. Ob das noch möglich sei, müsse sich am Donnerstag zeigen. Mit den 100 Millionen Euro, die 2010 getilgt werden sollten, verfüge das Land zumindest über einen Puffer.

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