Fehmarnbelt: Kein Bad mehr in der Ostsee

Sind Finanzierung und Zeitplan auch unklar - morgen wird der deutsch-dänische Staatsvertrag für die Brücke über die Ostsee unterzeichnet. Jetzt wehren sich die Ostseebäder: Der Schienenausbau brächte zusätzliche Güterzüge durch die Ferienorte.

Über die Ostsee aus dänischer Sicht: Links die geplante Brücke über den Fehmarnbelt, rechts der Fährhafen Rødby auf der Insel Lolland. Bild: Femern AS

Ein Jahrhundertbauwerk soll es werden. Am morgigen Dienstag wird der deutsch-dänische Staatsvertrag über das größte und teuerste Infrastrukturprojekt der Europäischen Union unterzeichnet - dann kann der Brückenschlag über die Ostsee-Meerenge Fehmarnbelt detailliert geplant werden. Mit der Fertigstellung der rund 20 Kilometer langen Straßen- und Schienenbrücke wäre in etwa zehn Jahren zu rechnen.

Allerdings ist auf deutscher Seite nachhaltiger Protest des Tourismusgewerbes entbrannt. Die Ostseebäder an der Deutschen liebster Badewanne - der Lübecker Bucht zwischen Travemünde und Grömitz - fürchten um die Ferienruhe ihrer Gäste. 38 Nahverkehrszüge verkehren derzeit täglich auf der eingleisigen Bahnstrecke von Lübeck nach Fehmarn. Nach dem geplanten Ausbau aber soll der Güterverkehr mit Skandinavien über die Trasse abgewickelt werden, die in den besonders betroffenen Ostseebädern Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug und Sierksdorf nur 300 bis 1.000 Meter vom Strand entfernt verläuft.

Etwa 150 Güterzüge würden dann mit 160 Stundenkilometern Tag und Nacht durch die Badeorte rollen: "Den Lärm würde man im ganzen Ort hören", fürchtet Timmendorfs Bürgermeister Volker Popp (parteilos) - "das Ende des Tourismus".

Der Fehmarnbelt zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland ist fast 20 Kilometer breit. Er ist die südliche Fortsetzung der Hauptschifffahrtsroute Großer Belt zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland.

Eine Fehmarnbelt-Brücke würde die Fahrzeit für den Auto- und Bahnverkehr zwischen Hamburg und Kopenhagen im Vergleich mit der jetzigen Fährverbindung um etwa eine auf gut drei Stunden verkürzen.

4,6 Milliarden Euro mindestens soll allein die Brücke kosten. Dänemark will diese Investition vollständig allein tragen. Sie soll später durch Mauteinnahmen finanziert werden. Die Anbindungen an Land kosten extra.

Die Deutsche Bahn prüft deshalb neben dem Ausbau der Strecke drei Neubauvarianten. Sie würden in größerer Entfernung zu den Stränden parallel zur Autobahn 1 zwischen Lübeck und Oldenburg/Holstein verlaufen. Im ersten Quartal 2010 sollen die Planungen dem Bundesverkehrsministerium vorgestellt werden, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis. Über Details möchte er nicht sprechen - über Kosten schon gar nicht: "Wer bestellt, muss bezahlen", schiebt er die Verantwortung an die Politik zurück.

Etwa eine Milliarde Euro wurden im Jahr 2002 für den Streckenausbau kalkuliert - als hoffnungslos veraltet rügte zu Jahresbeginn der Bundesrechnungshof die Zahlen. Eine neue Trasse soll dem Vernehmen nach mindestens 300 Millionen zusätzlich kosten, zusammen mit den üblichen Preissteigerungen kommt der Bundesrechnungshof auf etwa 1,7 Milliarden Euro.

Die Badeorte an der Lübecker Bucht sind fast vollständig vom Tourismus abhängig. Laut Wirtschaftsstatistiken zieht Timmendorfer Strand über 90 Prozent der lokalen Wertschöpfung aus dem Fremdenverkehr, in den Nachbarorten ist die Lage ähnlich. "Volkswirtschaftliche Verluste von 400 bis 500 Millionen Euro im Jahr" prophezeit da das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung. Brückenschlag und Schienenausbau müssten "nach gesundem Menschenverstand gestoppt werden", sagt der Timmendorfer SPD-Ratsherr Peter Ninnemann.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sieht das ganz anders: Die Verlustrechnung des Aktionsbündnisses sei "maßlos übertrieben", behauptete er vorige Woche bei einem Runden Tisch zum Thema im Kieler Wirtschaftsministerium. Die Bitte, die Regierung möge selbst eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorlegen, sei allerdings als "unnötig" abgelehnt worden, berichtet Bündnissprecher Hendrik Kerlen.

Carstensen selbst ließ nach der Sitzung lediglich mitteilen, die Brücke nach Dänemark biete "Potenziale, die genutzt werden müssten, um Arbeitsplätze zu schaffen". Auf Fehmarn und an der Lübecker Bucht drohten "massive Verluste an Wertschöpfung", kritisierte hingegen Andreas Tietze, Verkehrspolitiker der Grünen im Landtag. "Wirklich neue Wertschöpfung ist nicht in Sicht."

Dennoch plant vor allem die dänische Seite munter weiter an dem Brückenschlag, der die ungehinderte Fahrt vom Nordkap nach Gibraltar ermöglichen soll. Den Löwenanteil der Kosten will das kleine Königreich im Norden tragen. Bund und Bahn hatten sich lediglich zu Bauarbeiten zwischen Fehmarn und Lübeck bereit gefunden - nicht zuletzt wegen nachhaltiger Skepsis. Die Dänen hätten "zu optimistische Verkehrsprognosen" aufgestellt, warnte 2008 der Bundesrechnungshof: "Das Projekt wird sich nicht refinanzieren."

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