Die neue Linksfraktion holt sich Rat

Rund 200 Gewerkschafter, Umwelt- und Friedensbewegte kommen auf Einladung der neu gewählten Links-Fraktion nach Hannover. Die anderen Parteien streiten über den richtigen Umgang mit den Parlamentsneulingen

„Ohne Aktion ist es keine Fraktion“, ruft Michael Mitzig. „Und ohne Fraktion gibt es keine Aktion“, fasst der Mann vom Arbeitslosenkreis Linden das Thema im Ricklinger Freizeitheim in Hannover zusammen. Rund 200 Leute von GEW, Verdi, Attac, Umweltinitiativen oder Friedensbündnissen sind an diesem Dienstagabend auf Einladung der frisch gewählten Fraktion der Linken im niedersächsischen Landtag gekommen: Rauschebärte, Vollbärte, ja sogar Heiner-Brand-Bärte, aber auch einige Jüngere oder Frauen.

Der „Große Ratschlag“ soll inner- und außerparlamentarische Arbeit der elf Linksfraktionäre verzahnen, den Abgeordneten Anregungen geben. „Stillstand hinter verschlossenen Türen“ dürfe es nicht geben, sagt Parteichef Diether Dehm. Der „Protest der Hartz IV-Empfänger“ müsse zivilisiert werden. Protest und Pragmatik, Protest und Struktur, das seien ja keine Gegensätze: Auch der Protestsänger Dylan habe ja sein Studio „eigenhändig“ organisiert, erklärt Musikmanager Dehm nicht ohne Pathos.

Eine Linken-Presseerklärung zum drohenden Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan fordert der Regionsabgeordnete Michael Braedt. Die Linke habe die Landespolitik im Wahlkampf zu wenig thematisiert, sagt Brunhild Müller-Reiß vom Friedensbüro. Sie fordern Lebensarbeitszeitverkürzung, zehn Euro Mindestlohn und 1.500 Euro im Monat für alle, sie wollen ein Krebsregister rund um den Atom-Standort Gorleben, sie wettern gegen „die Hartz IV-Schweinerei“.

„Das haben Euch viele nicht gegönnt“, sagt Hartmut Tölle zum Wahlergebnis. Gleich 7,1 Prozent hatten die Linken am Sonntag eingefahren. Der Chef des DGB-Landesbezirks Niedersachsen betont seine Unparteilichkeit, sagt aber auch, dass das Linken-Programm „aus gewerkschaftlicher Sicht nicht das Schlechteste“ ist. Dennoch bremst Tölle die Erwartungen der Aktivisten: Es sei „eine Illusion, dass diese Elf die Spielregeln ändern werden“. Und: „Die Fraktion wird es nicht einfach haben.“

Fraktionschefin Tina Flauger sieht das gelassen: „Die werden uns noch verfluchen in diesem Landtag“, sagt sie – alle klatschen. Als wichtigste Forderung des Abends nimmt sie mit, dass sich die Linken für Kita-Plätze für behinderte Kinder einsetzen sollen.

Gleichzeitig registriert sie, dass ihre Partei schon vier Wochen vor der ersten Parlamentssitzung für Aufregung bei CDU und FDP sorgt. „Die SPD will die Neo-Kommunisten nicht mehr durch den Verfassungsschutz beobachten lassen und so hoffähig machen“, kritisierte Jörg Bode (FDP) am Mittwoch Heiner Bartling (SPD). Der einstige Innenminister hatte dafür plädiert, das Bespitzeln der Linken in Niedersachsen zu überdenken. Andere Bundesländer verzichten bereits darauf, der Bremer Senat prüft gerade. Je mehr sich die Fraktion etabliere, sagte Bartling, „desto weniger halte ich es für richtig, mit Methoden des Verfassungsschutzes zu arbeiten.“

Auch der Sitz im Verfassungsschutz-Ausschuss, der jeder Fraktion im Landtag zusteht, sorgt für Aufruhr. Die CDU meint, mit den „Kommunisten“ im Ausschuss werde der „Bock zum Gärtner“ gemacht und denkt über eine Gesetzesänderung nach. Prompt drohte Flauger, den Staatsgerichtshof, einzuschalten, um den Ausschussposten durchzusetzen. Bartling mahnt auch hier zur Ruhe: „Der Linksfraktion stehen dieselben Rechte zu wie den anderen Fraktionen auch.“ Gegen eine Überprüfung der Stasi-Akten ihrer Abgeordneten hat Flauger indes nichts. „Dann werden wir aber auch gleich beantragen, dass die Aufzeichnungen des Verfassungsschutzes über uns offen gelegt werden.“ Kai Schöneberg