Zeuge in brisantem Prozess niedergeschossen

Der Angeschossene gehört zur rechtsextremen Szene. Hintergrund sind möglicherweise Streitereien zwischen Teilen der Neonazis und dem Rocker-Club Hell’s Angels. Schwerverletzte bei Massenschlägerei vor dem Amtsgericht

Zwei Unbekannte haben vor einem Freizeitbad in schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen einen Mann niedergeschossen, der in einem brisanten Prozess als Zeuge aussagen sollte. Am Montag beginnt vor dem Kieler Landgericht ein Verfahren gegen den ehemaligen Landesvorsitzenden der schleswig-holsteinischen NPD, Peter Borchert, wegen einer lebensbedrohlichen Messerattacke auf ein Mitglied des Motorradclubs „Hell’s Angels“. Verschiedenen Quellen zufolge hat die Staatsanwaltschaft den angeschossenen Mann für diesen Prozess als Zeugen benannt. Der Zeuge, Ralf D., gehört ebenfalls der rechtsextremen Szene an. Im Frühjahr 2007 soll er dasselbe Mitglied der Hell’s Angels ebenfalls niedergestochen haben.

Vor dem Bad hatten am Donnerstagabend zwei dunkel gekleideten Männer auf Ralf D. gewartet. Kaum war der 32-jährige Rechtsextreme in Begleitung einer Frau auf dem Parkplatz, schossen die Vermummten mehrmals, berichten Augenzeugen. Zwei Schüsse verletzten Ralf D. schwer. Die Frau, die der rechtsextremen Szene Neumünsters angehören soll, konnte flüchten.

Ralf D. hatte am heutigen Montag vor dem Kieler Landgericht aussagen sollen. Bei dem Prozess geht es um eine Massenschlägerei unter 30 Rockern und Rechtsextremen vor dem Kieler Amtsgericht am 29. August 2008. Die Staatsanwaltschaft wirft Borchert vor, dabei auf den Hell’s Angel Dennis K. und einen weiteren Rocker mit dem Messer eingestochen zu haben. Die eiligst herbeigerufenen rund 70 Polizisten kamen zu spät, konnten aber noch 20 Personen festnehmen. Zehn Beteiligte entkamen. Nur dank Notoperationen überlebten Borcherts Opfer.

Drinnen im Amtsgericht sollte an diesem Tag ein Verfahren gegen Ralf D. eröffnet werden. Der Rechtsextreme, der jetzt niedergeschossen wurde, soll gut 18 Monate vorher ebenfalls Dennis K. in der Kieler Disco „Mausefalle“ mit einem Messer schwer verletzt haben. Borchert begleitete ihn zum Prozess.

Seit der Massenschlägerei sitzt Borchert in Untersuchungshaft. Insgesamt hat er schon zehn Jahre hinter Gittern verbracht, unter anderem wegen einer Tötung. „Ich bin ein Verbrecher“, räumte er bei einem Streit in der rechtsextremen Szene über seine Person stolz ein. Mancher Gesinnungsgenosse sorgte sich seinetwegen um das Image der „nationalen Bewegung“. Zu seiner jüngsten Gefängnisstrafe führten seine Waffengeschäfte in der braunen Szene und im Rotlichtmilieu. ANDREAS SPEIT