Umweltschützer halten Hafen für überschätzt

WWF und BUND kritisieren die Elbvertiefung für noch größere Containerschiffe als unnötig. Sie würde im Hamburger Hafen weniger Arbeitsplätze bringen als vom Senat erhofft. Hamburg dürfe sich nicht auf seinen Hafen fixieren

Ein Ausbau der Elbfahrrinne wirkt sich auf den Arbeitsmarkt in Hamburg weit weniger stark aus als vom Senat erhofft. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Berliner Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), die der Umweltverband WWF am Dienstag veröffentlicht hat. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) auf, das Projekt auszusetzen. „Ohne den Druck zweistelliger Umschlagzuwächse im Containerverkehr lässt sich besser nachdenken und eine arbeitsteilige Organisation der deutschen Seehäfen voranbringen“, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch.

Am Donnerstag beginnt im Hamburger Congress-Centrum der erste Erörterungstermin zur „Fahrrinnenanpassung“. Der Senat und die Bundesregierung wollen das Elbfahrwasser um ungefähr einen Meter vertiefen, so dass auch die neueste Generation von Containerschiffen den Hafen anlaufen kann. Der Fluss ist 1999 zum letzten Mal vertieft worden. Den erneuten Ausbau betrachten auch die Anwohner in Niedersachsen mit Sorge, vor allem weil sie um die Standfestigkeit ihrer Deiche fürchten.

Nach Ansicht des WWF sind die Arbeitsplatzprognosen, mit denen der Senat die Elbvertiefung begründet, nicht haltbar. „Senat und Wirtschaft treiben ein unlauteres Spiel mit der Existenzangst der Bürger“, sagt Beatrice Claus vom WWF. „Weder die Zukunft des Hafens noch die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Hamburg wären bei einem Verzicht auf die Elbvertiefung gefährdet.“

Die Gutachter vom IÖW halten dem Senat vor, er unterschätze den Strukturwandel im Hafen. Im Umschlag selbst seien aufgrund der zunehmenden Automatisierung immer weniger Menschen beschäftigt. Andere Arbeitsplätze seien aber nicht an den Hafen und auch nicht an eine weitere Elbvertiefung gebunden. Ein Beispiel dafür sei die Reederei Hapag Lloyd. Wäre sie verkauft worden, hätte Hamburg die Arbeitsplätze verloren – ganz unabhängig vom Containerumschlag.

Die beherrschende Rolle der Häfen in der Logistik-Kette nehme ab, behauptet die IÖW-Studie, während die Bedeutung neuer Logistikzentren im Hinterland wachse. „Die Wirtschaftseffekte der Häfen verlagern sich in die umgebenden Großregionen“, sagt Ulrich Petschow vom IÖW. „Der Hafenstandort selbst profitiert immer weniger von seinem Hafen.“

Das IÖW will deshalb nur die direkt vom Containerumschlag abhängigen Arbeitsplätze gelten lassen und kommt dabei auf rund 5.000. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde dagegen zieht den Kreis weiter. In der „Hafenwirtschaft im engeren Sinne“ – Schifffahrt, Hafen, Transport, Spedition, Lagerei – seien 2007 rund 28.000 Menschen beschäftigt gewesen. 2001 seien es erst 24.000 gewesen. Der Produktivitätsfortschritt beim Umschlag habe die Zuwachsraten bloß abgeschwächt.

GERNOT KNÖDLER