: Die Werwölfe von Kiel

Dieses Jahr haben sie zum „Kampfjahr“ erklärt, die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt einmal mehr zur „Frontstadt“: In Kiel richten NPD und „Autonome Nationale“ nicht nur verstärkt Kurzmärsche in der Innenstadt aus und verteilen Flugblätter in Stadtteilen. Besonders die „Aktionsgruppe Kiel“ um den Neonazi Peter Borchert sucht zunehmend auch die Auseinandersetzung auf der Straße.

Am vergangenen Samstag verletzte ein Rechtsextremer in Kiel ein Mitglied der Ballett-Kompanie schwer. Von „doppeltem Schädelbasisbruch“ spricht die Polizei. In Lebensgefahr sei das Opfer nicht mehr, heißt es weiter, aber bleibende Schäden seien nicht auszuschließen.

Nachmittags gegen 14 Uhr kam es unweit des Kieler Rathauses zu dem Übergriff. In der Innenstadt hatte der „Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus“ zu einem Straßenfest aufgerufen. Dorthin befanden sich mehr als 20 Rechtsextreme, teils bewaffnet mit Holzknüppeln, auf dem Anmarsch. Auf dem Weg wurde der Mann vom Ballett dann brutal niedergeschlagen.

Als die alarmierte Polizei mit Diensthunden und Schlagstöcken eintraf, berichtet eine Augenzeugin, hätten die Beamten zuerst der „Antifa“ nachgestellt – man habe „die rechte Gruppe“ isoliert, sagt dagegen der Polizeisprecher. Der rechte Schläger sei vernommen worden.

„Mit Sorge“ beobachtet der Verfassungsschutz die Gefahrenlage in Kiel. Ohne Namen zu nennen, räumt die Behörde ein, dass Borchert eine gewaltbereite Szene um sich geschart habe. Seine Kameraden erklärten, künftig auch in „Werwolfeinheiten“ agieren zu wollen. Da saß Borchert gerade selbst in Haft: Er hatte zwei Mitglieder der „Hells Angels“ niedergestochen. Am 19. Februar sprach ihn das Gericht dann frei, weil alle Beteiligten geschwiegen hatten. Prozessbeobachter sorgen sich, dass dieses Urteil die rechte Szene zu weiterer Gewalt ermutigen könnte.