spielplätze (3): im bocca del buon gusto: Porca miseria!

Echtes Leiden in der Pizzeria.

Alle gucken Fußball. Die taz auch. Bis zum Ende der Europameisterschaft berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Holland - Italien im Bocca del buon gusto in Mitte.

Der Szene-Italiener Papa Pane di Sorrento in der Ackerstraße müsste eigentlich ein authentischer Ort sein, um den amtierenden Weltmeister spielen zu sehen. Leider sitzen dort kurz vor Anpfiff überwiegend deutsche Gäste, die sich hauptsächlich für ihre Pizzen interessieren. Langweilig - daran ändern auch die in Trikot gekleideten Kellner nichts. Also schnell auf ins kleine, familiäre "Bocca del buon gusto" in der Invalidenstraße.

An den rot-weiß kariert gedeckten Tischen sitzen vereinzelte Pärchen, eine Gruppe junger Italiener und eine deutsche Familie. Der Wirt löst nur zögernd den Blick vom Fernseher, um die Bestellung entgegenzunehmen. Trikot trägt niemand, dafür ist die Stimmung konzentriert. Der Wirt bemüht sich, möglichst geräuschlos zu zapfen, die Italiener im Eck sitzen still und kerzengrade vor ihrer Pasta.

Als die Getränke kommen, hat Italien gerade die erste Torchance vertan, bedrohlich schwappt der Rotwein in der Karaffe. Nach dem ersten Tor der Holländer herrscht deutsch-italienische Empörung ob der komischen Abseitssonderregel: "Ist ja wohl das Letzte! Porca miseria!"

Draußen wird jetzt erst mal nicht mehr bedient. Wirt und Kellner stehen mit verschränkten Armen vor dem Fernseher, die italienische Gruppe hat aufgehört zu essen und murmelt leise. Fetzen sind zu verstehen: "Mein Gott, was tun die da? Unglaublich … Schande!" Nach dem zweiten holländischen Treffer fürchten wir um unsere Pizza: Der Koch klebt mit dem Gesicht am Küchenfenster und schaut entsetzt auf das Debakel der Azurri.

Mit dem hilflosen Schauspiel, das die Blauen bieten, geht jede Gruppe auf ihre Weise um. Der Italienertisch trinkt Grappa und geht zum Rauchen nach draußen. Die deutsche Familie spricht dem Wirt ihr Mitgefühl aus. An unserem Tisch entbrennt eine Fachsimpelei über "schwergängiges Geläuf", also schwierigen Rasen, und den Einfluss von Stirnband-Frisuren auf die Laufgeschwindigkeit der Spieler.

Der Wirt bringt die Pizza und schaut dabei, als hätte er einen Todesfall in der Familie zu beklagen. Drei zu null. Ein Wutschrei geht durch das Lokal: "Va fan culo!" (ein eher derber Ausdruck) Das vergessene draußensitzende Paar schaut erschreckt durchs Fenster rein. Der Koch ist hinter seiner Glasscheibe nach unten gerutscht, er ist nur noch von der Nasenspitze aufwärts zu sehen.

Die Niederlage ist besiegelt, der Rest des Spiels tröpfelt dahin. Als es vorbei ist, leert sich das Lokal rapide. Die italienische Gruppe schleicht durch die Tür, die deutsche Familie geht nach Hause und hält dem Wirt gedrückte Daumen entgegen: "Wird schon noch!" Der Wirt aber winkt ab. Er bringt eine Runde Grappa und sagt sarkastisch: "Auf Italien! Die wollen Urlaub, den können sie jetzt haben."

Aus der Eckkneipe nebenan stürmt ein großer Hund mit Deutschlandfahne im Maul. Nur die betrunkenen Holland-Fans auf der Torstraße, die höhnisch "Italia" und "Danke, Mario, danke, Luigi" grölen, sind noch blöder.

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