Das Liebesleben der Bäume

NATURFILM In „Das Grüne Wunder – Unser Wald“ zeigt Jan Haft verblüffende Bilder von Pilzen, Ameisen, Fichten, Wildschweinen, Waldmäusen und Fuchswelpen

Wenn da „Sonne und Wind die Lebensgeister im Wald wecken“ oder vom „stillen Liebesleben der Baumgiganten“ erzählt wird, sind dies unfreiwillig komische Stilblüten

VON WILFRIED HIPPEN

In den 70er Jahren waren für ein paar Tage Spinnen die Stars im deutschen Fernsehens. Gezeigt wurde „Sterns Stunde: Bemerkungen über die Spinne“, und darin war es dem Journalisten Horst Stern und dem Kameramann Kurt Hirschel gelungen, anhand von faszinierenden Großaufnahmen so interessant von diesen Tieren zu erzählen, dass sie für eine kurze Zeit bei den damals sensationell vielen ZuschauerInnen Faszination statt Ekel auslösten. Zumindest auf der Bildebene sind Jan Haft und sein Kameramann Kay Ziesenhenne würdige Erben von Stern, denn auch ihr Film „Das Grüne Wunder – Unser Wald“ ist voller großartiger Naturaufnahmen, mit denen sie zeigen, welch exotische Mikrokosmen die heimischen Biotope tatsächlich sind.

So umfassend und komplex wie hier wurden Fauna und Flora des Waldes noch nie in einem Film vorgestellt. Sechs Jahre hat Haft sich am deutschen Wald abgearbeitet. Sein Zweiteiler „Mythos Wald“ lief 2009 in der ARD und bildet die Basis dieser Kinoproduktion, für die noch einige zusätzliche Sequenzen gedreht wurden.

Und ins Kino gehören diese Aufnahmen. So sieht man bei Haft nicht nur Pflanzen im Zeitraffer wachsen und erblühen, denn dies war ja zu Sterns Zeiten schon der Standard bei Naturfilmen. Ziesenhennes Kamera macht aber während der Aufnahmen noch winzige und extrem langsame Fahren um die Pflanze herum, und dadurch wirken die Sequenzen viel plastischer und dynamischer. In einer anderen Sequenz zeigt Haft Bilder aus dem Inneren eines kleinen Pilzes, in dem Ameisen ihr Nest einrichten. Hirschkäfer liefern sich ein Duell, das an den Kampf von Rittern in ihren Rüstungen erinnert und einer Waldhummel gelingt es, eine Waldmaus aus ihrem Unterschlupf zu vertreiben. Immer wieder überrascht, wie raffiniert die Tricks sind, mit denen Pflanzen die Tiere dazu bringen, ihre Samen und Pollen weiterzutragen. Und nicht nur bei den Nahaufnahmen von Wildschweinen, die ihre Frischlinge bemuttern, fragt man sich, wie die Filmemacher sie machen konnten, denn aufziehende Wildschweine sind berüchtigt für ihre Angriffslust. Einige Aufnahmen sind offensichtlich nicht im Wald, sondern in präparierten Gehegen gemacht worden. Nur so sind etwa die Bilder von der Geburt junger Füchse in ihrem Bau möglich.

Doch diese hohe Niveau kann der Film auf der Tonebene nicht halten. Benno Führmann hat mit viel Pathos in der Stimme einen effekthaschenden Kommentar eingesprochen, in dem ständig die Schönheit der Natur beschworen wird. Wenn da „Sonne und Wind die Lebensgeister im Wald wecken“ oder vom „ stillen Liebesleben der Baumgiganten“ erzählt wird, sind dies unfreiwillig komische Stilblüten und auch bei Tondesign wird manchmal mit plumpen Assoziationen gearbeitet. So wird etwa das Ausfahren des Dorns eines Insekts mit dem Geräusch eines aus der Scheide gezogenen Schwertes unterlegt. Hier hat Haft leider nichts von dem auch rhetorisch so brillanten Horst Stern gelernt. Es wirkt fast, als würde er der Wirkung seiner eigenen Bilder nicht trauen. Irritierend ist auch Hafts Entscheidung, einen Bewohner, vor allem aber Gestalter und Zerstörer des Waldes, in keiner einzigen Einstellung auftauchen zu lassen. Der Mensch fehlt in „Das Grüne Wunder“ völlig, dabei ist der Wald zumindest in Deutschland immer auch eine geformte Kulturlandschaft. Dieser Aspekt wird völlig ausgespart und dadurch wirkt dieser so wunderschön anzusehende Film leider auch unnötig geschönt.