taz-Sommerserie „Nah am Wasser“ (1): Es müsste mal wieder richtig regnen

Kaum Niederschläge, Dürre, sinkende Pegel von Seen und Grundwasser – Anlass zur Sorge um die Wasserversorgung? Viele Fragen und viele Antworten.

Wiesen am Berliner Hauptbahnhof werden im trockenen Sommer 2022 künstlich bewässert Foto: dpa

Was ist das Problem?

„20 bis 50 Zentimeter unter dem langjährigen Mittel“ liegt das Berliner Grundwasser aktuell laut der Senatsumweltverwaltung. Das klingt gar nicht mal nach so viel. Aber über die Hunderte von Quadratkilometern, die das Berliner Stadtgebiet umfasst, machen ein paar Dezimeter dann schon eine gewaltige Menge aus.

Woran liegt dieses Absinken? In erster Linie an den unzureichenden Regenfällen seit 2018. Der Vorstand der Wasserbetriebe, Frank Bruckmann, sagte bei seiner jüngsten Jahresbilanz, Berlin benötige „vier Jahre mit 600 Litern Niederschlag pro Quadratmeter“, um das Grundwasser wieder auf seinen normalen Pegel zu bringen. Üblich sind im Raum Berlin, einer der niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands, rund 500 Liter Niederschlag im Jahr.

Wird sich das Grundwasser vielleicht nie von dieser Trockenheit erholen, wenn der Klimawandel voranschreitet?

Überall Wasser Da kann man nicht heulen, Seen gibt es genug in der Stadt und drumherum in Brandenburg. Und überhaupt: Berlinliegt am Fluss, die Spree fließt mittendurch, und ganz im Westen dann die Havel. Wasserwerke säumen ihren Verlauf, und weil Berlin am Wasser liegt, ist die Trinkwasserversorgung auch in Dürresommern etwas unkomplizierter als anderswo.

Und der Klimawandel? Was bedeutet die Wasserlage für Berlin – gerade in Zeiten des Klimawandels? In unserer diesjährigen Sommerserie widmen wir uns dem Wasser in all seinen Facetten: Unsere Au­to­r*in­nen sind losgezogen um rauszufinden, warum Brunnenbauer immer tiefer bohren müssen, um an Grundwasser zu kommen. Wir statten der Hausbootszene einen Besuch ab und checken, wo man von Motorbooten nicht so schnell vom Stand-up-Paddling-Bord geworfen wird. Zum Auftakt: das Berliner Grundwasser. Alle Folgen unter taz.de/berlin/wasser. (taz)

Das ist alles spekulativ – ExpertInnen können heute noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob der Klimawandel unserer Region auf Dauer wirklich mehr Trockenheit beschert. In jedem Fall kann sich das Grundwasser erstaunlich schnell regenerieren, wenn es dann doch einmal so richtig runterkommt. In ihrer Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux bildet die Senatsumweltverwaltung die Entwicklung der Grundwasserstände in den verschiedenen Zonen der Stadt ab. Daran lässt sich ablesen, dass wir schon 2016 eine ähnliche Situation wie heute hatten. Im Jahr 2017 schüttete es dann aber so richtig: Fast 800 Liter pro Quadratmeter fielen übers Jahr auf Berlin, und siehe da: Im darauf folgenden Dürrejahr 2018 waren die Grundwasserstände fast vollständig aufgefüllt – um dann freilich wieder zu sinken.

Ist das Grundwasser eine Art See im Untergrund, der kontinuierlich sinkt?

Das Bild von einem See mit seiner glatten Oberfläche ist zumindest falsch. Die Sprecherin der Berliner Wasserbetriebe, Astrid Hackenesch-Rump, drückt es so aus: „Das Wasser kann in den unterschiedlichen geologischen Schichten unterschiedlich hoch stehen, der Grundwasserspiegel ist also immer schief oder ‚hügelig‘.“ Zur unterschiedlichen Durchlässigkeit und Mächtigkeit der Bodenschichten kommt aber auch der Einfluss der Trinkwasserförderung – sie sorgt für die Bildung großflächiger „Trichter“ rund um die Wasserwerke, in die das Grundwasser erst einmal nachfließen muss.

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Also sinken die Stände nicht überall gleich stark?

Nein. Es gibt in Berlin große Bereiche rund um Spree und Havel, die, geologisch betrachtet, im sogenannten Urstromtal liegen. Dort befindet sich das Grundwasser knapp unter der Oberfläche, wo es nicht nur durch Niederschläge, sondern auch durch die Versickerung von Fluss- und Seewasser gespeist wird – „Uferfiltrat“ nennt sich das. An den Messstellen, die die Berliner Wasserbetriebe hier betrieben, liegt der Grundwasserspiegel auch heute nur knapp unter „normal“, der Verlauf schwankt über die Jahre nur in ganz geringem Umfang. Ganz anders sieht es im Fall der innerstädtischen Hochflächen aus: Unter den Plateaus des Barnim (Teile von Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf), des Teltow (unter anderem Neukölln, Tempelhof und Steglitz) sowie der Nauener Platte, die praktisch den gesamten Grunewald umfasst, liegen die Spiegel aktuell tatsächlich um bis zu 50 Zentimeter unter dem langjährigen Durchschnitt.

Ist die Trockenheit der einzige Grund für die sinkenden Grundwasserspiegel?

Der wichtigste, aber nicht der einzige. Eine besondere Problematik ergibt sich aus dem Ende des Kohletagebaus in der Lausitz. Von dort fließt die Spree nach Berlin und über viele Jahrzehnte hinweg hat sie im Grunde mehr geliefert, als natürlicherweise zu erwarten wäre: Sie brachte das im Tagebaugebiet abgepumpte Grundwasser nach Berlin, das dort jetzt fehlt, geschätzt hat sich ein Defizit von 6 bis 7 Milliarden Kubikmetern aufgebaut. Wenn in den kommenden Jahren und Jahrzehnten die Löcher in der Landschaft geflutet werden, fehlt dieses Wasser zwangsläufig in der Spree. Würde Brandenburg etwa den Cottbusser Ostsee so schnell wie möglich fluten wollen, käme in Berlin fast nichts mehr an – zum Glück gibt es ein länderübergreifendes Wassermanagement.

Und noch ein Phänomen, das uns bevorsteht: Die neuen Seen in den alten Tagebauen werden viel Wasser verdunsten. Auch das bedeutet ein langfristiges Minus bei der Wasserzufuhr.

Was wird getan, um diesem Defizit entgegenzuwirken?

Vereinfacht gesagt, übt sich Berlin schon seit einiger Zeit in der Kreislauf-Wasserwirtschaft. Denn das in den sechs Klärwerken der Wasserbetriebe gereinigte Abwasser – ein Teil davon stammt auch aus Brandenburger Haushalten – wird in Gräben, Bäche oder Fließe geleitet. Von dort oder, etwas später, aus der Spree, der Havel oder einem ihrer Seen sickert ein Teil davon wieder in in die Tiefe. Und weil ein großer Teil des Berliner Trinkwassers als Uferfiltrat gewonnen wird, landet am Ende tatsächlich ehemaliges Abwasser im Glas – und ist nach seinem Weg durch den Boden doch absolut sauber. Weil nun die Zuflüsse sinken, steigt der Anteil des geklärten Abwassers in diesem Kreislauf. Die Wasserbetriebe investieren deshalb in weitere Klärstufen, die immer mehr Schadstoffspuren eliminieren. Zum Beispiel in eine Ozonierungsanlage, die gerade im Klärwerk Schönerlinde im Norden Berlins errichtet wird.

Könnten die Wasserbetriebe nicht einfach das komplette gereinigte Abwasser zurück in den Boden pumpen, also direkt dem Grundwasser zuführen?

„Das wird in der Branche und von der Wissenschaft durchaus diskutiert, ist aber in Berlin derzeit nicht erlaubt“, sagt Wasserbetriebe-Sprecherin Hackenesch-Rump. Die Regularien zum Grundwasserschutz sind aus guten Gründen sehr streng, und auch wenn das Endprodukt des Klärwerks erstaunlich sauber ist, bleiben eben noch Spurenstoffe übrig. „Noch können wir nicht alles rausholen, was wir gerne rausholen würden, deshalb haben wir gerne noch ein bisschen Natur dazwischen“, so Hackenesch-Rump. Übrigens wird das Grundwasser teilweise auch mit Oberflächenwasser angereichert: beispielsweise rund um das Wasserwerk Spandau, wo jährlich rund 475.000 Kubikmeter Wasser aus der Oberhavel in das Flüsschen Kuhlake sowie spezielle Becken geleitet werden, um in der Umgebung der Förderbrunnen zu versickern.

Wenn das Grundwasser fällt, verdursten dann die Stadtbäume?

Grundsätzlich kommt es für die Versorgung der Bäume tatsächlich auf ausreichende Niederschläge an, die die oberflächennahen Schichten immer wieder durchtränken

Die Vorstellung, dass Bäume ihre Wurzeln ins Grundwasser tauchen und daraus trinken, ist weit verbreitet, sagt BUND-Baumexperte Christian Hönig – aber auch das trifft nur unter ganz bestimmten Bedingungen zu. In Berlin lässt beispielsweise der Baumbestand des Tiergartens oder des Charlottenburger Schlossparks das Wurzelwerk im Grundwasser baumeln, eben weil es hier so oberflächennah ist. Auch für manche andere Gebiete trifft das laut Hönig zu, etwa einen Teil des Tegeler Forsts und das Tegeler Fließ. Grundsätzlich aber gilt die alte Gärtnerregel: Pflanzen haben nur ungern die Füße im Wasser – denn darin, sagt wiederum der BUND-Experte, ist eigentlich zu wenig Sauerstoff gelöst.

Ist Grundwasser dann für die Straßenbäume unerheblich?

Jein. Grundsätzlich kommt es für die Versorgung der Bäume tatsächlich auf ausreichende Niederschläge an, die die oberflächennahen Schichten immer wieder durchtränken. Allerdings gibt es auch noch den sogenannten Kapillarsaum, eine ungefähr anderthalb Meter starke Schicht über dem Grundwasser, in der die Feuchtigkeit wie von einem Schwamm nach oben gesogen wird. Dieser Bereich ist ein ideales Medium für die Wasseraufnahme von Bäumen, und wenn das Grundwasser absinkt, sinkt der Kapillarsaum mit. Laut Christian Hönig kommen jüngere Bäume mit einer solchen Situation besser klar, weil sie ohnehin noch stark auf Wurzelwachstum setzen müssen: „Ein etablierter Baum gerät da schneller in Probleme – es sind halt langsame Lebewesen.“ Für frisch gepflanzte Bäumchen gilt das aber auch wieder nicht, die brauchen erst mal ein paar Jahre um anzuwachsen und müssen in dieser Zeit sogar gegossen werden, wenn der Regen ausbleibt.

Verbrauchen wir nicht einfach viel zu viel Trinkwasser? Müssten wir nicht viel sparsamer damit umgehen?

Das sollten wir auf jeden Fall tun. Jeder Liter, den wir nicht das Klo hinunterspülen oder der nicht durch die Dusche rauscht, muss auch nicht gefördert werden und stabilisiert den Wasserhaushalt. Wobei die BerlinerInnen mit einem Pro-Kopf-Wasser-Verbrauch von 110 bis 115 Liter pro Tag klar unter dem Bundesdurchschnitt (128 Liter) liegen. Interessant ist auch, dass die aktuelle Trinkwasserförderung keineswegs den historischen Höchststand markiert. Der war vielmehr in den Wendejahren erreicht: 1989 erzeugten die Wasserwerke der Stadt etwa 366 Millionen Kubikmeter Trinkwasser, heute sind es weniger als 230 Millionen Kubikmeter. Grund dafür ist nicht so sehr die größere Sparsamkeit der Haushalte, sondern die Modernisierung der Berliner Heizkraftwerke, die heute viel weniger Wasser benötigen. Entsprechend lagen auch die Grundwasserstände vor gut 30 Jahren deutlich tiefer als heute. „Damals hatte aber auch der Naturschutz noch einen ganz anderen Stellenwert“, wie die Wasserbetriebe-Sprecherin zu Recht betont.

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