taz-Vorschläge für Rot-Rot-Grün: So wird die Stadt gerockt

Michael Müller ist gewählt, Berlins neue Regierung will eine Aufbruchstimmung vermitteln. Mit diesem Sofortprogramm könnte das tatsächlich gelingen.

Eine rote Platte

Die richtige Platte für die Stadt Foto: dpa

Schluss mit Plaste!

Rein in den Senat und weg mit den Einwegbechern. Kaffee zum Mitnehmen nur noch für die, die mit eigenem Thermobecher oder eigener Porzellantasse ankommen. Für die anderen wird „to go“ wieder zusammen- und groß geschrieben und zu dem, was es vor seiner Sinnentfremdung (als ob Kaffee gehen könnte!) war: einem afrikanischen Land.

Im wahrsten Sinne des Wortes mit einem bloßen Federstrich könnte der rot-rot-grüne Senat eine Verordnung unterzeichnen und ein Verbot losschicken, das sofort sichtbare Auswirkungen hätte: Der Umwelteffekt mag langfristigerer Natur sein, aber weg wären sie, die Papp- oder noch schlimmer, Plastikbecher in der Nähe von Kaffeeanbietern und Fastfood-Restaurants, aber auch auf Bahnsteigen oder in Zügen. (sta)

Kauft die Rigaer 94!

Eine linke Regierung, die mit viel, viel Polizei Räumlichkeiten im autonomen Hausprojekt Rigaer Straße 94 räumen lässt und einen wochenlangen Ausnahmezustand erntet – das dürfte für viele Koalitionäre ein Katastrophenszenario sein. Um es zu vermeiden, muss allerdings jetzt gehandelt werden.

Denn schon am 2. Februar will der Eigentümer am Landgericht einen Räumungstitel für die Kneipe Kadterschmiede erwirken – und dann müsste die Polizei ihm zur Seite stehen. Nur der Kauf des Hauses durch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft könnte das noch verhindern. Viel Geld für ein bisschen Frieden – womöglich nicht die schlechteste Investition. (epe)

Essen für alle!

Die Koalition will die Ganztagsschule ausbauen, und zwar „bevorzugt in belasteten Sozialräumen“. Wer ja zur Ganztagsschule sagt, muss auch ja zum kostenlosen Mittag für alle Kinder sagen. Denn viele Kinder aus benachteiligten Familien – also genau die, denen der Ganztag zugutekommen soll – werden vom Mittagessen ausgeschlossen, weil ihre Eltern die Beiträge nicht zahlen. Statt also lange über ein Konzept zu grübeln (so vermerkt im Koalitionsvertrag), einfach ohne komplizierte Regelungen alle Kinder umsonst verköstigen. Ein bisschen Teilhabe geht nämlich nicht. (akl)

Michael Müller bleibt Regierender Bürgermeister: Das Abgeordnetenhaus wählte ihn am Donnerstag im ersten Wahlgang. Müller, der am Freitag 52 Jahre alt wird, leitet als Regierungschef nun die bundesweit erste SPD-geführte rot-rot-grüne Landesregierung. Müller erhielt in geheimer Wahl 88 von 158 Stimmen. Das waren 7 mehr als nötig. Gleichwohl fehlten ihm mehrere Stimmen aus dem Regierungslager. SPD, Linke und Grüne kommen zusammen auf 92 Abgeordnete (SPD 38, Linke und Grüne je 27). Zwei Abgeordnete fehlten bei der Abstimmung.

Müller regiert Berlin seit Dezember 2014. Er folgte nach SPD-internem Machtkampf auf den zurückgetretenen Klaus Wowereit und führte zunächst dessen rot-schwarze Regierung weiter.

Das 100-Tage-Programm, das Linksparteichef Lederer Mitte November ankündigte, startet nach Darstellung der Grünen erst nach der für Anfang Januar geplanten Senatsklausurtagung. (dpa, sta)

Räumt die Turnhallen!

Mehr als 3.000 Flüchtlinge leben noch in Turnhallen. Gleichzeitig stehen Unterkünfte wie die in der Spandauer Heerstraße leer, Containerdörfer (Tempohomes) sind fertig oder werden dieser Tage fertig und können nicht bezogen werden – weil das zuständige Landesflüchtlingsamt die Ausschreibungen verbockt hat.

Die Idee zur Lösung dieser absurden Situation ist so bestechend einfach wie schnell umsetzbar: Das Land betreibt die Unterkünfte einfach selbst. Wie? Es gründet eine landeseigene Gesellschaft, sucht sich aus dem in den Turnhallen vorhandenen Personal Heimleiter, Sozialarbeiter etc. aus (natürlich nur die guten!) – und schon kann der Umzug beginnen! (sum)

Leerstand enteignen!

Wenn Konservative den linken Teufel an die Wand malen, sprechen sie von Enteignungen. Das hört sich so gruselig an, so kommunistisch. Kurzum: ein probates Mittel – etwa um spekulativen Leerstand zu bekämpfen. Das geht selbst im bürgerlichen Hamburg, wo jüngst erstmals ein Mietshaus dem Besitzer auf Zeit entzogen wurde. Renoviert wird auf dessen Kosten, die leer stehenden Wohnungen werden dann neu vermietet.

Auch in Berlin gilt Leerstand über sechs Monate als Zweckentfremdung, eine „Räumung“ ist im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Ein Blick auf den „Leerstandsmelder“ verrät Dutzende mögliche Objekte. Und an Interessenten für neuen, günstigen Wohnraum wird es auch nicht mangeln. (epe)

Öffnet die Bahnhöfe!

Der Winter ist da, und an den ersten richtig frostigen Abenden gab es bereits lange Schlangen vor den rund 700 Notschlafstellen der Kältehilfe. Eine naheliegende Sache, die nichts kostet und schnell machbar ist: Öffnet nachts alle U-Bahnhöfe, damit niemand in Parks, Hauseingängen und unter Brücken erfrieren muss!

Natürlich ist das nur eine Notlösung, ein warmes Bett müsste für jeden drin sein. Aber es wäre ein Anfang. Dass es geht, zeigt die Stadt Köln: Dort sind traditionell alle Bahnhöfe nachts offen und werden von Wohnungslosen genutzt. Dass es deswegen zu größerer Vermüllung oder Vandalismus käme, ist nicht bekannt. (sum)

Und: Rockt mit den Bürgern!

Nur gute Politik zu machen, das reicht nicht, dafür sind die Erwartungen an Rot-Rot-Grün zu groß. Wenn der Spirit der Koalition rüberkommen und die Menschen in der Stadt erreichen, ja erfassen soll, braucht es mehr. Politikberater sprechen in einem solchen Fall von „Brücken bauen“ und „Dialogverfahren einrichten“. Schnarch. In Berlin muss man dafür ein Szenecafé oder, besser noch, einen Club eröffnen.

Gern in etwas abgeranzter Umgebung, gern als Zwischennutzung: Schließlich sind gewählte Politiker nichts anderes als ultimative Zwischennutzer: Rocken sie nicht mehr, werden sie einfach abgewählt. Im „r2g“-Club oder -Café kann dann Latte geschlürft und Bier getrunken und später in der Nacht gefeiert werden. Veränderungen herbeitanzen, darum muss es jetzt gehen. Und damit die CDU nicht von Geldverschwendung schwafelt, darf regelmäßig auch ein CDU-Abgeordneter eine Nacht lang auflegen. (bis)

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