Zerbrechlicher Blumenkübel

■ Zwischen Nicci (23) und Jana (21): Jutta (48) enttarnt die Grünen in der „Neuen Revue“

Die Neue Revue? Ist die nicht längst eingegangen? Ach nein, das war Quick. Die Neue Revue aber lebt. Mit Jutta Ditfurth auf dem Titel. Sie hält den Kopf leicht schief, hat eine Sonnenblumenapplikation auf dem Pulli und hält den rechten Mittelfinger in Effenberg-Stellung. Auf den F-Finger ist Joseph Fischer montiert, Champagner trinkend. „Zahltag, Junker Joschka!“, donnert die Titelzeile der Neuen Revue. Ob sich Fischer davon erholen wird?

Innen im Heftchen ist es noch lustiger. „Meine nackte Akte“, heißt es da, aber das ist nicht Jutta Ditfurth, das ist „Jana (21), Rechtsanwaltsgehilfin aus Schönebeck“, mit „lauter kleinen Geständnissen, z. B. über Muskeln, Busen, Auflauf“: „Wenn wir danach eine Stärkung brauchen, dann koche ich uns schnell etwas Leckeres. Meine Spezialität sind Aufläufe – die bringen jeden wieder in Form.“

Schwer in Form ist auch „Nicci Juice, Pop-Sternchen: 'Es passierte mit 16, und alle wußten Bescheid‘ “. Die größte Girl-Geschichte in der Neuen Revue aber ist Jutta Ditfurth (48) gewidmet, der Cover-Woman, die „EXKLUSIV die wahre Geschichte der Grünen“ schreibt. Für die Neue Revue, das Magazin für Politik und Kultur. Und die im Gegenzug von der Neuen Revue porträtiert wird – ganz einfühlsam: „Die Frau, die ihr Privatleben hütet und schützt, als wäre es eine zerbrechliche Mingvase.“ (...) „Wenn sie lacht, vibrieren sogar ihre Haa- re ...“ Bevor dann Jutta Ditfurth die Grünen enttarnt in der Neuen Revue, gibt sie als Dreingabe noch eine halbe Seite „Hoimars Tod“ hinzu, den Tod ihres Vaters: „Warme Hand an Schläfe und Stirn. Wange an Wange. Bleibt kalt.“ So muss man schreiben in der Neuen Revue, wenn man sein Privatleben hütet und schützt wie einen zerbrechlichen Blumenkübel.

Fotos von Jutta Ditfurth gibt es auch ganz viele in der Neuen Revue, am besten ist eine Dreierserie mit der Unterzeile „Schreiben ist ... harte Arbeit ... hammer-hart!“ Dazu hält Jutta Ditfurth, am Computer sitzend, einen Hammer in der Hand. Zwei Seiten weiter heißt es: „Die Grünen sind kaputt.“ Hat Jutta Ditfurth sie kaputtgehauen? Mit dem Hammer? In der Neuen Revue? Nein. Sie hat nur kaputtgemacht, was andere zuvor kaputtmachten, was dann wiederum Jutta Ditfurth kaputtmachte, wie in dem Lied von Ton Steine Scherben.

Doch Jutta Ditfurth wird nicht nur privat und sensibel eingeführt in die Neue Revue – auch Chefredakteur Peter Bartels widmet ihr einen Kommentar. „Jutta Ditfurth hat Schreibverbot bei der Frankfurter Rundschau.“ Aber nicht bei der Neuen Revue, der Bastion von Rederechten und Pressefreiheitlichen, die Jutta Ditfurths neue Heimat geworden ist: „Sie schreibt ab heute in Neue Revue“, kündigt der Chefredakteur seine neue Autorin an. „Die Geschichte der Grünen, wie sie noch nie geschrieben wurde. Kompromißlos, wie Jutta Ditfurth war und ist. Warum ausgerechnet in Neue Revue?“, fragt Bartels und verrät es auch gleich: „Weil sie hier darf, was rotgrüne Blätter ihr verweigern – ihre Meinung sagen. Nicht mal im Spie- gel ...“ An dieser Stelle hätte ich beinahe ein bisschen geweint.

Und dann schreibt Jutta Ditfurth, die Unterlegene im Kampf der allesamt gleichermaßen unangenehmen grünen Frankfurter Platzhirsche, ganz exklusiv für die Neue Revue auf, was Christian Schmidt in seinem Buch „Wir sind die Wahnsinnigen“ schon Mitte 1998 veröffentlichte. Allerdings nicht in der Neuen Revue. Die bringt in der Ausgabe mit dem Ditfurth-Titel auch eine „Akte Bubis“, als, treffendes Wort, „Wiedervorlage“. Es handelt sich um einen plumpen Reanimationsversuch der bekannten Kamellenvorwürfe gegen Ignatz Bubis. Henryk M. Broder, sonst eher ein Dutzendsassa, hat der Neuen Revue auf deren Anfrage hin dazu einen kurzen und schönen Text gefaxt: „Sie haben nicht alle Tassen im Schrank. B.“

Gilt das jetzt auch für Jutta Ditfurth, die neue Serien-Autorin der Neuen Revue? Wiglaf Droste

Lesen Sie heute in der neuen Neue Revue Teil 2 der Serie von Jutta Ditfurth: „Wie Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang die Grünen in Hessen plattmachten.“