Ein schwerer Sturm hinterlässt nicht nur Verlierer

Baden-Württembergs Forst ist am stärksten betroffen. Die Versicherungen zahlen nicht

Erst jetzt wird das ganze Ausmaß der Verwüstungen deutlich, die der Orkan „Lothar“ am vergangenen Sonntag angerichtet hat. Im Hauptschadensgebiet Schwarzwald hat der Sturm eine regelrechte Schneise von Nord nach Süd geschlagen, erklärte der Leiter der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg, Fridolin Wangler. Der Schaden bewege sich mindestens in der Größenordnung von „Wiebke“, dem berüchtigten Orkan, der 1990 gewütet und ganze Landstriche verwüstet hatte. Auf 15 Millionen Kubikmeter schätzt Wangler die Schadholzmenge, die „Lothar“ hinterließ. Das sind 50 Prozent mehr als der normale jährliche Nutzholzeinschlag von 9 bis 10 Millionen Kubikmeter.

In Geld lässt sich der Schaden noch nicht abschätzen, da unklar ist, zu welchen Preisen das Holz verkauft werden kann. Klar ist nur, dass auch sehr viel unverkäufliches Bruchholz angefallen ist.

Doch die schlechtesten Nachrichten für die Waldbesitzer kamen von den Versicherungsbetrieben. Ein Versicherungsschutz besteht bis auf wenige Ausnahmen weder für die privaten Bauernwälder noch für die Kommunalwälder, so Wangler gegenüber der taz. Ob die Waldeigentümer auf staatliche Hilfe hoffen können, ist noch nicht entschieden. Nach den schweren Orkanen von 1990 wurde ein Bund-Länder Sonderprogramm über eine Dauer von vier Jahren angelegt, um die Wälder aufzuforsten und wieder auf Vordermann zu bringen. Darauf werden die Waldbesitzer des Südens auch diesmal wieder hoffen – Eichels großem Sparprogramm zum Trotz.

Unabhängig davon ist das Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre vorgezeichnet. Aufräumarbeiten und die Aufbereitung des Schadholzes stehen für die Forstmeister des Südens auf dem Plan. Davor wird noch eine systematische Schadensbilanz erstellt, die schon jetzt bereits in Angriff genommen wird, so Fridolin Wangler weiter.

In Bayern hat „Lothar“ nach ersten Schätzungen hingegen geringere Schäden verursacht, als es allgemein zunächst angenommen wurde. Der bayrische Forstminister Josef Miller gab in München erste Schätzungen zur Schadenshöhe bekannt. Demnach liegen die Schadholzmengen in Bayern mit gut 2,5 Millionen Kubikmetern bei etwa einem Zehntel der Stürme „Vivian“ und „Wiebke“ des Jahres 1990. Der Regierungsbezirk Schwaben ist am stärksten betroffen. Hier ist mit einem Schadholzeinfall in Höhe eines regulären Jahreseinschlages zu rechnen. Für die schwäbischen Waldbesitzer in den beiden südlichen Bundesländern dürfte im kommenden Jahr deshalb ein sehr sparsamer Nutzholzeinschlag angesagt sein, wollen sie verhindern, dass die Holzpreise auf dem Markt ins Bodenlose fallen.

Ebenso wenig wie der forstwirtschaftliche Schaden lässt sich der gesamte volkswirtschaftliche Schaden schon genau abschätzen. Nach Angaben von Gerhard Berz von der Münchner Rückversicherung könne der Schaden aber durchaus in Milliardenhöhe liegen. Genaueres ließe sich allerdings erst in den nächsten Tagen sagen, wenn die genauen Schadensmeldungen eingetroffen seien.

Überwiegend wird es sich dabei um Bagatellschäden handeln, die sich aber zu beträchtlichen Summen anhäufen könnten. Beim Orkan Wiebke 1990 entstanden der Versicherungswirtschaft Schäden von über vier Milliarden Mark. Dennoch sieht Berz die Versicherungswirtschaft in Deutschland vor keine Probleme gestellt. Die Schäden lägen innerhalb des erwarteten Risikos.

Stille Reserven müssen nicht angegriffen werden, und eine Prämienerhöhung ist auch nicht geplant. Die leichten Kursverluste gestern zu Börsenbeginn bei der Allianz und der Münchner Rück interpretiert Berz als übliche Gewinnmitnahmen im Jahresendgeschäft, schließlich seien die Kurse der meisten Versicherungsunternehmen in den vorherigen Wochen kräftig angestiegen.

„Lothar“ macht nicht nur Verlierer. Wie alle Katastrophen sind auch der jüngste Orkan und seine Folgen für manche Branchen ein ausgezeichnetes Geschäft. Von dem großen Unwetter profitieren vor allem Reparaturbetriebe, seien es Kfz-Werkstätten, Glaser oder Dachdecker. Genaue Zahlen aus der Vergangenheit liegen nicht vor, aber mit regionalen Umsatzzuwächsen ist auf jeden Fall zu rechnen, so der Pressesprecher des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks, Thomas Schmitz. Martin Ling