Das Stadtschloss lebt noch nicht

Die Befürworter eines Neubaus des alten Hohenzollernschlosses in der Mitte Berlins werden immer mehr. Nachdem ein Investorenverfahren ohne Ergebnis blieb, soll nun eine Expertenkommission die Zukunft des Schlossplatzes klären

Wilhelm von Boddien, der selbst ernannte „Schlossherr“ Berlins, stand erst vor kurzem wieder im Rampenlicht. Stolz präsentierten der Hamburger Landmaschinenkaufmann und sein Förderverein Berliner Stadtschloss detailgetreue Pläne des 1950 gesprengten Hohenzollernschlosses, die erst vor kurzem in den Kellern des Bezirksamtes Mitte entdeckt wurden. Prompt zeigte sich Boddien davon überzeugt, dass sich mit dem Fund, einem Aufmaß der Fassaden aus dem Jahre 1879, das alte Berliner Schloss originalgetreu rekonstruieren ließe.

Hätte, wäre, wenn. Zwar hat die illustre Riege der Schlossbefürworter, darunter auch die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer oder Brandenburgs Ex-Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD), inzwischen die Lufthoheit über die Debatte erobert. Allein, es fehlt an Investoren, mehr aber noch an überzeugenden Nutzungskonzepten.

Mehr als der übliche Nutzungsmix von Hotel, Gastronomie und Tagungsstätte, dazu noch eine Bibliothek, ist der alten Bundesregierung bislang nicht eingefallen. Doch selbst dieser Überhang an kommerzieller Nutzung war den Investoren zu wenig. Ohne erhebliche Zuschüsse seitens der öffentlichen Hand werde es weder eine Schlossrekonstruktion noch ein anderes Gebäude auf dem Schlossplatz geben. Das war das übereinstimmende Ergebnis eines Investorenbekundungsverfahrens, das von der alten Bundesregierung und dem Berliner Senat 1998 in Auftrag gegeben worden war.

Nach mehr als sechsjähriger Debatte steht man damit wieder am Anfang. Ob der rot-grünen Koalition freilich mehr Erfolg beschieden sein wird als ihrer Vorgängerregierung, muss abgewartet werden. Nicht zuletzt der Bundeskanzler selbst nährte erhebliche Zweifel, als er in einem Interview mit der Zeit die Diskussion um den Berliner Schlossplatz einmal mehr auf geschmäcklerische Fragen reduzierte. Schröder hatte dem Blatt erklärt, dass er in seinem provisorischen Amtssitz im Staatsratsgebäude nicht länger den hässlichen, monströsen Palast der Republik vor Augen haben wolle und stattdessen für den Wiederaufbau des Stadtschlosses plädiere. Und zwar „einfach, weil es schön ist“.

Vor diesem Hintergrund wirkt es nachgerade wie ein Dämpfer für jene, die nur noch Schlösser kennen, aber keine Parteien mehr, wenn eine von Bundesbauminister Reinhard Klimmt (SPD) eingesetzte internationale Expertengruppe noch einmal hinter die Fassaden schauen möchte. Diese Kommission wird, so sagt Bernhard Schmidt, Referatsleiter im Bauministerium, sich um die Fragen der Nutzung, der Finanzierung, der Architektur und der städtebaulichen Gestaltung auf dem Berliner Schlossplatz kümmern. Angehört werden sollten auch gesellschaftliche Gruppen, darunter auch jene, die sich in der Vergangenheit für den Erhalt des Palastes der Republik stark gemacht haben. Gleichwohl, so heißt es sybillinisch im Bauministerium, dürfe an einem Architektenwettbewerb auch der „Architekt Schlüter“ teilnehmen, ein unmissverständlicher Hinweis, dass eine Neukonstruktion des Schlüterbaus bei weitem nicht ausgeschlossen ist.

Noch bevor Ende des Monats die Namen der Expertengruppe bekannt gegeben werden sollen, waren bereits Namen an die Öffentlichkeit gedrungen. So sollten laut Tagesspiegel nicht nur Schlossbefürworter wie der Stadthistoriker Dieter Hoffmann-Axthelm, Berlins Kultursenator Christoph Stölzl (CDU) oder Kulturstaatssekretär Michael Naumann (SPD) unter den Auserwählten sein, sondern auch erklärte Schlossgegner wie der Architekturhistoriker Bruno Flierl oder der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi. Gehandelt wurden außerdem der ehemalige Berliner Jugendsenator Thomas Krüger (SPD), die einstige Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit, der Architekt Josef Paul Kleihues, der Architekturtheoretiker Vittorio Lampugnani, der Historiker Laurenz Demps, der Biologe Jens Reich und der Publizist Friedrich Dieckmann. Abgerundet werden sollte die Liste schließlich vom Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, den Invstorenvertretern Jerry Speyer und Ernst Freiberger sowie Berlins Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) sowie Bundesbauminister Klimmt selbst.

Inzwischen hat das Bauministerium zwar erklärt, diese Liste entspreche nicht der tatsächlichen Zusammensetzung der Kommission. Zugleich aber wurde etwa dem Ostberliner Kandidaten Bruno Flierl versichert, dass die Arbeit der Kommission ergebnisoffen wäre. Flierl selbst hat für seine Mitarbeit an dem Gremium zur Voraussetzung gemacht, dass eine Entscheidung tatsächlich offen sei und die Diskussion darüber hinaus öffentlich und transparent geführt werden müsse. Ähnlich hat sich auch Architektenkammerpräsident Conradi geäußert.

Sollte sich die Expertenkommision, wenn sie Ende des Monats von Bauminister Klimmt vorgestellt wird, nur in Nuancen von der bekannt gewordenen Liste unterscheiden, würde nicht nur der Countdown für die Zukunft des Schlossplatzes eingeläutet – bis Mitte 2001 sollen die Diskussionen abgeschlossen sein. Auch eine spannende und kontroverse Debatte dürfte in dieser Zusammensetzung zu erwarten sein. Schließlich ist die Zahl der Schlossbefürworter in der Runde nicht so erdrückend wie in der öffentlich geführten Debatte.

Gleichwohl sind noch immer Zweifel angebracht. Das betrifft nicht nur das Kanzlerwort, sondern auch eine Einschätzung des Referatsleiters im Bauministerium, Bernhard Schmidt. Der nämlich hatte dem Tagesspiegel vor kurzem verraten: „Die Tendenz ist zu 75 Prozent pro Schloss.“ UWE RADA