Die Saubermänner

Veruntreuung und versuchter Waffenhandel: Innenansichten einer Rechtsstaatspartei

aus Hamburg HEIKE HAARHOFF

Wenn das die Sozen wüssten. „Innerlich“, gesteht Manfred Silberbach, „bin ich immer Sozialdemokrat geblieben und werde es bleiben.“ Man würde jetzt gern seine Augen sehen, sein Gesicht.

40 Jahre in der SPD zu sein, 16 davon als Bürgerschaftsabgeordneter, um sie dann im Streit zu verlassen und sich nun, im Alter von 65, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) anzuschließen, das muss Spuren hinterlassen.

Die PRO tritt ein für die Wiedereinführung geschlossener Heime für straffällige Jugendliche und für die Abschaffung von Jugendrichtern, Asylrecht und Solidarzuschlag. Ihr Parteichef, der ehemalige Strafrichter Ronald Schill, plädiert schon mal vor laufenden Kameras für die Todesstrafe und dafür, dass es in Hamburg kein neues Gefängnis braucht, wo doch der Knast auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme „noch völlig funktionsfähig ist“, plädiert für alles also, was für die sozialdemokratische Seele Folter ist. Selbst wenn zwischen ihrem Parteiaustritt, 1993, und dem PRO-Eintritt, 2000, sieben Jahre und ein kurzes Intermezzo bei der Hamburger Statt Partei liegen.

Aber Manfred Silberbach mag sich nicht treffen, um darüber zu reden, er ist schon so oft „in die rechte Ecke gerückt“ worden, daher höchstens ein Gespräch am Telefon. Da sieht niemand Spuren, sondern hört allenfalls Gründe: „Die Integrationspolitik der SPD ist komplett gescheitert. Wenn nicht bald etwas in den Problemstadtteilen passiert, dann explodiert ein sozialpolitisches Pulverfass.“

Genau das hatte er seinen Genossen beizubringen versucht. 30 Prozent der Stimmen hatte die SPD Anfang der 90er-Jahre in Wilhelmsburg, dem strukturschwachen und von Sturmfluten traumatisierten Arbeiterstadtteil an Nichtwähler und rechtsextreme Parteien verloren. Doch an den Wahlkampfständen ließ sie den gelernten Maschinenschlosser und aktiven Gewerkschafter Silberbach mit den „fürchterlichen Beschimpfungen“ der Basis allein.

Das ist heute und mit der PRO anders. Wenn in Wilhelmsburg ein Kampfhund ein Kind tot beißt oder ein Beziehungsmord Schlagzeilen macht, dann kreuzt garantiert kurze Zeit später Parteichef Ronald Schill persönlich auf. Der hochgewachsene Mann mit den sehr blauen Augen redet dann von „Bodenhaftung“, die die Politik zurückgewinnen müsse, von „Bedürfnissen der rechtschaffenen Bevölkerung“ nach mehr Sicherheit, von „Asylanten“ oder wahlweise „kriminellen Randgruppen“, von denen das „Boot“ voll sei. Ausländerfeindlich oder gar rechtsextrem, hat der Vorstand Manfred Silberbach nach einigen Kostproben erleichtert festgestellt, sei an den Reden des Chefs nichts: „Er spricht nur das aus, was die Leute denken.“

So kann man das auch sehen.

So sieht man es, insbesondere bei der Hamburger CDU, deren Ortsgruppen Ronald Schill dieser Tage unter großem Applaus als Gastredner einladen. Nach vier Jahrzehnten SPD-Herrschaft scheint jeder Partner recht, der auch nur die vage Aussicht bietet, die politischen Mehrheitsverhältnisse bei der Bürgerschaftswahl im Herbst 2001 zu kippen. Erste Umfragen sagen der PRO einen klaren Einzug ins Landesparlament voraus, und – anders als etwa die DVU – wartet sie mit Kandidaten auf, die teils über langjährige Politerfahrung verfügen: Mario Mettbach, seit 1980 CDU-Mitglied, später stellvertretender Bundesvorsitzender der Statt Partei, ist jetzt zweiter Mann bei der PRO. „Schill“, sagt er, „ist der einzige, dem die Leute die Verbrechensbekämpfung zutrauen.“

Björn Neumann war in der U-Bahn auf dem Weg ins Marketingbüro, „und dann steht da plötzlich Ronald Schill“. Noch heute wird er ein bisschen rot und zieht ein paarmal schnell an der Zigarette, wenn er sich daran erinnert, wie aufregend das war, wie er, gerade mal 22 Jahre alt, sich schließlich in diesem Frühsommer traute, Schill, den er bis dahin nur aus den Medien kannte, „diesen Mann mit Charisma und Ausstrahlung“ anzusprechen. „Das Tollste“, sagt Björn Neumann, Ronald Schill erinnerte sich an ihn: „Sind Sie nicht der Björn Neumann von der CDU, der kürzlich gegen Landeschef Fischer angetreten ist? Respekt.“ Neumann war es, bei der CDU gescheitert und abgewatscht, ein paar Tage später Vorstandsmitglied der PRO.

Für einen, der mit 14 wegen Helmut Kohl – „er ist doch auch nur ein Mensch, ich würde die Namen der Spender auch nicht nennen“ – in die Junge Union eingetreten ist und mit 22 findet, er habe lange genug Plakatständer aufgestellt, bieten sich hier ganz neue Möglichkeiten. Bei der Eröffnung der Parteizentrale im Büroviertel Hammerbrook darf er die Gäste mit Handschlag begrüßen, und „bei der Hundeverordnung“, schwärmt Neumann, „da habe ich darauf hinwirken können, dass die in unserem Parteiprogramm nicht ganz so scharf formuliert wird“. Man sei schließlich nur gegen bestimmte Rassen.

„Minderheiten und kriminelle Randgruppen“, droht ein paar Meter entfernt sein Idol in ein Mikrofon, dürften künftig nicht mehr erwarten, „dass sich die Politik ausschließlich an ihnen orientiert“. Das gelte übrigens auch für die Ausländer.

Canan Münch ahnt, welche Frage jetzt kommt. Die 41-jährige Türkin im schicken Kostüm ist Beisitzerin im PRO-Vorstand, doch wer sie dorthin getrieben hat, verrät sie nicht. Nur so viel: „Ich habe großes Vertrauen in Herrn Schill.“ Pause. Dann: „Es ist auch das erste Mal, dass ich politisch aktiv bin.“ Wie sie denn anderen Migranten ihre Mitgliedschaft in einer Partei erkläre, die Ausländer als vernachlässigenswerte Last empfindet? Da faltet sie ein kariertes Blatt auseinander und liest hektisch ab: „Nach meiner persönlichen Meinung sollte es einen Doppelpass geben.“ Die erste Zeile hat sie übersprungen. Dort steht zu lesen: „Ich heiße Canan Münch.“ Für den Fall, dass sie das vergessen sollte in der Aufregung. Es gibt schließlich in letzter Zeit so viel Ärger darum, was PRO-Mitglieder sagen und tun dürfen und was nicht.

Ihren Beisitzerkollegen Anthony Rau schmiss der Vorstand nach nur wenigen Wochen gleich wieder aus dem Amt. „Ich war doch bloß deren Alibineger“, sagt Rau, „genauso, wie Frau Münch deren Alibitürkin ist“. Ihm, der vor 21 Jahren als Asylbewerber aus Ghana nach Hamburg kam und inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sei es darum gegangen, „dass sich das Image der Schwarzafrikaner in Deutschland verbessert“. Seine Lösung: konsequente Abschiebung aller schwarzen Dealer, „damit die Deutschen sehen, wir sind nicht alle so“. Diese Forderung, sagt er, sei nur mit der PRO durchzusetzen, „und nicht mit der SPD oder den Grünen, die ich jahrelang gewählt habe“. Im Parteiprogramm standen dann aber ganz andere Sachen. Das Asylrecht, das abgeschafft werden solle, die Flüchtlinge, die ohne Papiere generell in ein afrikanisches Drittland abgeschoben werden sollten, welches im Gegenzug Entwicklungshilfe bekommen solle. „Ich bin schockiert“, sagt Rau, und weil es so auch in der Bild stand, war der Rausschmiss nur noch eine Frage von Stunden.

Bei PRO heißt es, man habe herausgefunden, dass gegen Herrn Rau ein Verfahren wegen Beleidigung anhängig sei, und so etwas könne sich eine Partei, die für Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Verbrechen eintrete, nun einmal nicht leisten. Sehr wohl leisten dagegen kann sie sich einen Pressesprecher, der 1990 wegen Veruntreuung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Leisten wollte sie sich auch den Hamburger Kaufmann Franz-Josef Underberg, der 1992 wegen versuchten illegalen Waffenhandels in den Irak zu einer Geldstrafe von 31.000 Mark verurteilt wurde – bis die taz hamburg darüber berichtete und Underberg aus dem Vorstand zurücktrat.

Die Liste der kriminellen Randgruppe innerhalb der PRO könnte sich bald erweitern: Ab heute verhandelt das Hamburger Landgericht gegen den Parteivorsitzenden Ronald Schill höchstselbst wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung.

„Das“, sagt Manfred Silberbach, „wäre dann wirklich ein Politikum.“ Wie gut, dass Silberbach da im tiefsten Innern immer Sozialdemokrat geblieben ist.