Politisch frühstücken

Zwei Monate lang fütterte Bady Minck das Internet mit News zum Widerstand gegen die FPÖ – mittels ihres „elektrofrühstück“-Projekts auf dem Wiener Karlsplatz. Nun bekam sie aus Luxemburg den Web Resistance Award

Ein merkwürdiger Kubus steht vor der Kunsthalle Wien. Grüne Seitenflächen, die an das Innenleben eines Computers erinnern. Eine gläserne Front. Allerhand elektrotechnische Details: Kontakte und Kondensatoren, Transformatoren und Elektroden, Entstörer und Widerstände. Der Kubus nennt sich „Elektrozelle“ und ist ein Kunstobjekt der Luxemburger Künstlerin und Filmemacherin Bady Minck: ein Schutzraum, der sein verletzliches Inneres gegen äußere Strömungen abschirmt. Draußen blinkt ein grünes Licht, innen leuchtet ein appetitliches Ensemble aus Kaffee und Croissants.

Kern der Installation ist das „elektrofrühstück“ – eine künstlerische Aktion im Internet, mit der Bady Minck auf die umstrittene Regierung mit Beteiligung von Jörg Haiders rechtspopulistischer FPÖ reagiert hat. Gestern Abend wurde das „elektrofrühstück“ mit dem zweiten Preis im Web Resistance Award ausgezeichnet, mit dem die unabhängige Internet-Plattform „public netbase“ regierungskritische Aktivitäten im Netz würdigt. Nachdem das reale Frühstück in der Wiener Elektrozelle sechs Wochen lang beheimatet war, wird ein französischer Ableger von Lyon aus ab Januar durch Mittelfrankreich touren. Von deutschen Ausstellungshäusern gab es bisher noch kein Interesse am virtuellen Politfrühstück als Diskussionsgrundlage zu Rechtsextremismus und politischem Populismus. Im Wiener Kubus werden heute ab 15 Uhr zum Abschluss fünf Vorträge des Philosophen Burghard Schmitt zur „Alpenschieflage“ noch einmal auf Video gezeigt.

Als sich auf den Straßen spontan die Gegner der ÖVP/FPÖ-Koalition formierten und Abend für Abend protestierend durch die Stadt zogen, begann Bady Minck, eine elektronische Zeitung zu verfassen. Erst täglich, dann wöchentlich berichtete sie über den Verlauf der Demos, kommentierte die Reaktion der Regierung und korrigierte die oft einseitige Berichterstattung in den Medien. Sie brachte Stellungnahmen anderer Künstler und gab Informationen der Plattform „Demokratische Offensive“ weiter, die den Unmut der Regierungsgegner in immer neuen Demos und Aktionen kanalisierte. Schnell wurde Mincks „elektrofrühstück“, das über persönliche Kontakte und Mailverteiler an tausende von regierungskritischen Lesern in Österreich und an Freunde im Ausland geschickt wurde, zusammen mit anderen Internet-Aktionen zum Netzwerk der Gegenöffentlichkeit. Mittlerweile ist das dazugehörige Konvolut dutzende Megabyte schwer und umfasst über vierzig Einzelportionen von Beobachtungen, Kritik, Artikeln, Cartoons und Fotos. Links führen den Besucher zu über 180 regierungskritischen Internet-Seiten (http://elektrofruehstueck.netbase.org).

Zu den Frühstücks-Events vor Ort, die jeweils zum Auftakt der immer noch aktiven Donnerstagsdemo stattfinden, wurden internationale Spezialitäten gereicht, von koscherem Brot mit Leberaufstrich als Gruß aus Israel bis zur luxemburgischen Morgenmahlzeit mit Kaffi, Jizz und Kachkeisschmier. Parallel dazu gab es Vorträge, etwa von Valie Export oder dem Medientheoretiker Marc Ries, die zunächst live und dann per Nonstop-Video auf dem Karlsplatz übertragen wurden.

In der Kunstwelt hat die Frage nach der angemessenen Reaktion auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ – Boykott oder Engagement – heftige Diskussionen ausgelöst. Als prominenter Boykottbefürworter zog der international renommierte Kurator Robert Fleck seine Teilnahme an eben der Ausstellung über Gegenwartskunst in Wien zurück, in deren Rahmen auch Bady Minck die Elektrozelle installiert hat. Auf der anderen Seite stehen Aktionen wie die Plakatwand der Wiener Secession, wo etwa die Belgrader Künstlerin Milica Tomić Jörg Haiders Vorliebe für schnelle Autos und schnelle Urteile über Ausländer ironisch aufs Korn nimmt.

IRMGARD SCHMIDMAIER