Musikologische Plaudereien

■ Liest heute: Thomas Steinfeld auf den Tonspuren des Lebens

Die Welt, von der Thomas Steinfeld erzählt, ist trist und unübersichtlich. Dabei handelt Riff. Tonspuren des Lebens von einer ruppigen „Selbstfeier des Lebens“, es will eine Geschichte der Unterwanderung anderer Künste durch die „populäre Musik“ sein: FAZ-Literaturredakteur Steinfeld folgt Spuren der Popmusik, etwa in Büchern und Filmen. Von Uwe Johnson und den Beatles lesen wir, von Deleuze und Dylan, Thomas Mann und dem Grammophon, Wim Wenders Polaroid-Fotos und Ry Cooders Slide-Gitarre, von Luigi Russolo und Theodor W. Adorno, Stewart O'Nan und Thomas Pynchon, Andy Warhol oder Anton Corbijn.

24 solcher essayistischen Momentaufnahmen behaupten, unserer Welt sei die Stille verloren gegangen, sie könne ihre Ohren nicht mehr verschließen – und das „kultivierte Mittelmaß“ der „populären Musik“ sei ihre zentrale und tiefgreifendste Kunstform.

So wenig dabei die hölzerne Formulierung „populäre Musik“ gefüllt wird, so sehr ist Steinfelds Geschichte eine, in der Benennungen eine Rolle spielen. Entlang einem unausgesprochenen Kanon scheidet sich seine Welt in harmlose Bereiche und solche, die durch zeilenweises Vorkommen von Anführungszeichen in Schach gehalten werden müssen: Rock- und Jazzmusik, Blues und Bebop stehen da „Punk“, „Soul“ oder „Reggae“ (der „die Insel Jamaica mit seinem Stolperbaß zu einer Hauptstadt der populären Musik gemacht“ habe) gegenüber.

Dass Pop- dabei zum allergrößten Teil mit Rockmusik synonym ist, dass neben Jazz-Exotismen von „großen, schweren, schwarzen Saxophonisten“ afroamerikanische Musik nicht vorkommt, HipHop allenfalls „am Ende ihrer Geschichte“ Teil populärer Musik ist, und dann auch in Gestalt der weißen Künstlerexistenz Beck, ist bezeichnend; genauso, dass einzig Rainald Goetz und die „Stammesriten des rave“ alles seit den 80er Jahren Geschehene repräsentieren muss.

Von solcher Warte aus schreibt sich dann gefällig „es wird nichts Neues mehr geben“ und diese Musik sei „ausgeschrieben bis in den kleinen Finger der linken Hand“. (Dabei heißt es an gleicher Stelle doch, dass „es zur Eigenart vor allem der populären Musik gehört, daß die meisten ihrer begeisterten Hörer das innere Ohr zuklappen, wenn sie die späte Jugend hinter sich gelassen haben, und fortan nur noch das zu ihnen dringt, was sie schon von früher kennen“.) Und da passt ins Bild, dass sich Autor Steinfeld die heutige literarische Abendunterhaltung von zwei „echten Gitarristen“, männlich, weiß vermutlich, begleiten lassen wird.

Alexander Diehl

heute, 20 Uhr, Literaturhaus

Thomas Steinfeld: Riff. Tonspuren des Lebens, 271 S., 38 Mark