Manipuliert und monumental

Das Jahr 2000 feierte die Wiederkehr des monumentalen Action-Helden, der mit seiner Unzerstörbarkeit konfrontiert wird. In M. Night Shyamalans „Unbreakable“ durchlebt Bruce Willis den eigenen Heroismus nur mehr als ausgehöhlte Comic-Geste

Der Held ist zum Selbstkommentar des Action-Darstellers geworden

von ELISABETH BRONFEN

Entschlossen schreitet der General der römischen Armee voran. Die Kamera fährt zurück, und wir erkennen die gigantische Schlachtmaschinerie, die sich um ihn herum aufgebaut hat. Würdevoll grüßend wandelt er durch die Reihen der Soldaten, um dann die höllische Schlacht zu entfesseln, mit der die letzten Barbaren zu Fall gebracht werden sollen. Was wir in Ridley Scotts „Gladiator“ vorgeführt bekommen, ist die Entstehung eines unzweideutig ehrenhaften Helden. Maximus wird im Verlauf des Films zwar seinen Rang als General verlieren, um als Sklave in der Arena Roms den Tyrannen herauszufordern und hinzurichten. Dabei wird er jedoch die Haltung des mutigen und gleichzeitig gütigen Mannes nie ablegen, der ohne Selbstzweifel, aber auch ohne falsche Arroganz bereit ist, für die Gerechtigkeit zu kämpfen und für die Ehre Roms zu sterben.

Hatte sich nicht im Verlauf der letzten Jahre gerade im Mainstream die Vorstellung eines unbrüchigen Kinohelden zersetzt? War die Grenze zwischen dem Recht und seinem morschen Kern nicht derart verflüssigt, dass jeder Vertreter des Gesetzes auf der Leinwand in seinen Handlungen davon betroffen war? Ridley Scott, der vor knapp 20 Jahren in „Blade Runner“ einen versehrten Harrison Ford zum wahren action hero deklarierte, glaubt in „Gladiator“ nicht nur ans Pathos des Selbstopfers. Er vertraut auch darauf, dass wir gerade in einer Medienkultur, in der jeder Starkörper digital manipuliert werden kann, weiterhin den tragischen Helden benötigen. „Die Taten, die du zu Lebzeiten vollbringst, werden in der Ewigkeit erklingen“, ist der Leitsatz seines Gladiators. Es geht um die große monumentalistische Geste, mit der wahrer Ruhm von der Eintagsberühmtheit unserer celebrity culture abgegrenzt werden kann. Dafür braucht es den einfachen Widerspruch zwischen dem umkorrumpierbaren Mann, der an der Front oder in der Arena seine unschlagbare Macht darbietet, und den machthungrigen Figuren des Bösen, die hinter der Bühne ihre Intrige spinnen

Russell Crowe, der als Schläger-Polizist am Ende von „L.A. Confidential“ verwundet im Fond des Autos seiner Geliebten sitzt, während sein Kumpel für ihre gemeinsamen Taten eine Auszeichnung erhält, und der in „Insider“ als hilfloser Wissenschaftler im Räderwerk eines Medienskandals zermalmt wird, hat sich als „Gladiator“ nahtlos in eine Figur verwandelt, die vielleicht nicht Rom, dafür aber das Image des gerechten Helden retten soll. Ist es Zufall, dass sich jetzt, wenige Monate später, gleich zwei Ikonen des Actionkinos der 80er-Jahre – „Terminator“-Arnold Schwarzenegger und „Die Hard“-Bruce Willis – die Frage stellen, wie das Verhältnis vom einfachen Mann zu dem von ihm verkörperten Held glaubhaft darzustellen sei? Mit den Denkfiguren der Comics, lautet die Antwort, als könnten sie den eigenen Heroismus nur noch als ausgehöhlte Geste durchspielen.

Kommt Ridley Scotts Maximus nicht zu Hause an, weil Heim und Familie von seinen Gegnern zerstört wurden, befindet sich M. Night Shyamalans Held David Dunn in „Unbreakable“ (ab heute im Kino) eindeutig in einer Ehekrise. Die von Bruce Willis gespielte Figur hätte Footballstar werden können, opferte den Ruhm jedoch fürs häusliches Glück. Die Lücke, die sich seitdem in seinem einfachen Leben als Ordner im Fußballstadion aufgetan hat, erhält in der Gestalt des kranken Kunsthändlers Elijah Price, der hauptsächlich alte Comic-Illustrationen sammelt, einen materiellen Körper. Ein perfektes Gegensatzpaar: der Mann, der unzerbrechlich ist, und der, dessen Knochen beim kleinsten Sturz sofort zerbrechen. Doch in „Unbreakable“ wird der Umstand, ein vom Schicksal auserwählter Retter zu sein, von Willis nur noch als Last empfunden. Die exhibtionistische Freude des Detektive John McClane, der in „Die Hard“ nie nach Hause kam, weil ihm der Kugelaustausch mit seinen Widersachern und das Wortgefecht mit seinem Kumpel sichtlich mehr Spaß bereiteten, ist zur Verzerrung einer Kinderfantasie mutiert. Eine symptomatische Szene im Film zeigt die Familie Dunn in ihrer Küche. Der Sohn bedroht den Vater mit dessen Pistole, während die Mutter hilflos zusieht. Der Junge will ihn erschießen, um ihm zu beweisen, dass er wie der Held im Comic jeder tödlichen Gefahr entkommen kann.

David Dunn muss ein Held sein, weil sein Sohn ein übermenschliches Vorbild braucht. Und so kommen wir auch in „Unbreakable“ in den Genuss von Bruce Willis’ Muskeln. Leider nicht wie früher, als er, um Menschen aus absurden Katastrophen zu retten, knapp bekleidet in lebensgefährlichen Situationen in der Luft hing. Jetzt hebt er in einer dunklen Kammer seines Kellers Gewichte und erlaubt seinem Sohn, immer mehr Ringe auf die Stange zu legen. Auch hier inszeniert er seine Kraft für den Blick eines Publikums. Nur ist alles eher qualvoll als befriedigend. Erschrocken und fasziniert zugleich starrt der Sohn auf das vor Schmerz verkniffene Gesicht seines Vaters.

Der traurige Held, der an der eigenen Unzerbrechlichkeit leidet, ist zum Selbstkommentar des Darstellers geworden. Hinreißend war der frühe Bruce Willis als action hero nicht zuletzt deshalb, weil sein selbstironisches Grinsen den Unsinn des Heldentums, das er verkörperte, immer schon als lustvolle Pose demontierte. Dass ihm diese gedoppelte Selbstdarstellung immer wieder glückte, war seine eigentliche Leistung als Star. Verständlicherweise scheint ihn das Spielen des stereotypen Helden heute zu langweilen. Über die Gestalt des schuldbessessenen Dunn, der als Einziger einen Zugunfall überlebt (er wollte nach New York, um dort dem tristen Familienalltag zu entfliehen), gelingt Bruce Willis ein Selbstporträt: der Star, der seinen Heldenkörper gerne ablegen würde, dies aber nicht kann. Als Überlebender der vielen von ihm gespielten Katastrophen erstarrt er zur Ikone der eigenen Stärke.

Szenenwechsel. In seinem umstrittenen Musikvideo „Rock, DJ“ tritt Robbie Williams auf die Tanzfläche und versucht dort die Mädchen – mit einem Verweis auf seine Virilität – auf sich aufmerksam zu machen. Obgleich das ehemalige „Take that“-Mitglied ihnen seinen Körper verführerisch anbietet, wenden sie den Blick ab. Erst nachem er sich die Haut, dann das Fleisch und schließlich alle Organe vom Leib gerissen hat und nur noch als tanzendes Skelett zum Rhythmus der Musik wippt, bemerkt ihn der weibliche DJ. Nun steigt sie zu ihm auf die Bühne herab und tanzt mit ihm. Man kann in dieser schauerlichen Entblößung nicht nur eine witzige Abwandlung des Motivs vom Tod und dem Mädchen erkennen. Was bei Bruce Willis zum verzweifelten Versuch der Selbsthäutung wird, in deren Verlauf er sich zerfleischt, seinen Körper aber doch nicht los wird, entpuppt sich bei Robbie Williams als erfolgreiche Demontage der begehrten Ikone. Die Frau wendet sich erst dem seiner protzigen Männlichkeit entledigten Körper interessiert zu.

Während man sich in „Unbreakable“ zuweilen nach dieser Art Selbstironie sehnt, wünscht man Arnold Schwarzenegger, der in seinem neuen Film „The 6th Day“ fälschlicherweise geklont wird, fast ein wenig mehr Substanz. Die Vorstellung, man könne künstliche Geschöpfe als Antwort auf die menschliche Versehrheit erzeugen, hat das Kino schon seit den frühen Frankenstein-Verfilmungen fasziniert. Dahinter liegt die Furcht, der perfekte Klon könne das Authentische des menschlichen Subjekts radikal unterminieren. Doch in Spottiswoodes Comic-Welt ersetzt Schwarzeneggers Klon keinen kranken oder toten Körper. Zum störenden Fremdkörper wird er, weil er einen vor Lebenskraft strotzenden verdoppelt. Nun würde man von klassischen Beispielen des Doppelgängers wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde ausgehend meinen, „The 6th Day“ müsse auf einen Kampf zwischen Original und Kopie hinauslaufen. Der Klon kann aber nicht der Widersacher des Helden Adam Gibson sein, sonst müsste dieser brave Familienvater ja im Sinne Dr. Jekylls auch einen Kern des Bösen in sich selbst anerkennen. Doch die von Arnold Schwarzenegger verkörperten Heroen hatten schon immer ein stupides Urvertrauen in die eigene Heldenhaftigkeit.

Haben wir also im Jahr 2000 neben der monumentalistischen Geste die leere Traurigkeit des am unzerbrechlichen Körper leidenden Helden, so taucht am anderen Ende eine fröhliche Leere auf, die zwischen Mensch und endlos erneuerbarem Körperkostüm gar nicht mehr unterscheiden will. So gibt es am Ende von „The 6th Day“ gleich zwei wackere Männer, die bereit sind, sich für die Familie zu opfern. Der Klon beweist seine Menschlichkeit und somit sein Recht auf Überleben, indem er bereit ist, den Tod auf sich zu nehmen.

Ridley Scott hatte das Selbstopfer in „Blade Runner“ noch als Denkfigur eingesetzt, um eine unsaubere Schnittfläche aufflackern zu lassen zwischen Cyborg und Mensch. Sein körperlich dem Replikanten-Jäger weit überlegener Roy (Rutger Hauer) durfte in der Geste des großen christlichen Pathos auf dem Dach eines herrenlosen Hauses sterben, damit Deckard zur Selbsterkenntnis gelangen und die Fehlbarkeit, selbst ein Replikant zu sein, annehmen kann. Einer muss geopfert werden, damit der andere mit dem Wissen um seine Versehrtheit überlebt.

Doch Arnold war gelinde gesagt nie besonders philosophisch. Der Schwarzenegger-Klon ist einfach nur ein Segen. Er erlaubt ihm, einen das amerikanische Actionkino bezeichnenden Widerspruch zu überwinden. Der Held setzt zwar sein Leben für die Familie aufs Spiel, wähnt am trauten Herd jedoch eine tödliche Bedrohung – und seien es nur die Spuren des Altwerdens, die er morgens im Spiegel erspäht. Geklont kann er beides: mit seiner Anwesenheit die Familie beschützen und in der fernen weiten Welt jenen Abenteuern nachgehen, die ihm seine Überlebenskraft bestätigen. Die neidlose Freude, mit der Arnold Schwarzenegger seinen Klon annimmt, spricht aber auch von einem bruchlosen Urvertrauen an seinen ikonischen Wert. Befürchten andere – wie Nicholas Cage in John Woos „Face/Off“ –, man könnte an seinem Doppel irre werden oder zumindest, dass die Duplikation an der eigenen authentischen Substanz zehrt, bleibt das für Schwarzenegger kein Problem. Er war eigentlich immer schon ein Klon seiner selbst. Wir hatten es nur nicht gemerkt.