Quellcodes der Gesellschaft

Unter dem Motto „Chaos Communication Congress“ treffen sich derzeit 2.500 Hacker bei der „europäischen Hackerparty“ des Chaos Computer Club in Mitte

Der Name scheint Programm zu sein, nicht nur was die Hacker-Mentalität angeht: Chaos Computer Club (CCC). Hunderte von jungen Männern sitzen beim Hacker-Kongress des Clubs in Berlin eingepfercht zwischen Rechnern, Monitoren, Tastaturen und Kabelsträngen. Von der Decke strahlt orangeblaues Licht, auf dem Boden liegen Schlafsäcke und die für jugendliche Computerfreaks obligatorischen Batterien von Colaflaschen, Kekspackungen und Koffeindrinks. Bis Freitag noch tauschen sich Hacker aus aller Welt in Berlin aus.

Doch das mittlerweile 17. Jahrestreffen der eingeschworenen Hackerszene, diesmal unter dem Namen „Chaos Communication Congress“, ist professionell organisiert. 2.500 Teilnehmer erwartet der CCC zu der dreitägigen „europäischen Hackerparty“ in Mitte.

Durchschnittliche Computer-User, die gerade mal mit MSword oder netscape vertraut sind, allenfalls noch geheime Botschaften mit der weltweit beliebten Verschlüsselungssoftware pgp versenden können, dürften mit dem angebotenen Programm ihre Schwierigkeiten haben. Die Workshops tragen Namen wie „Exploiting Buffer Overflows“ oder „Anatomie Capability basierter Systeme“. „Hört sich interessant an“, sagt ein etwa 20-jähriger Junge, der das Programm begutachtet, und fügt hinzu: „Was immer es auch bedeutet.“

Ein Großteil der Hacker ist schon kurz nach Beginn des Kongresses in eine andere Welt abgetaucht. In die Welt der Netzwerke und Programme. Das erklärt auch die eigentümliche Ruhe in den vollbesetzten Räumen. Es wird kaum gesprochen, dafür umso mehr auf der Tastatur getippt. Oder gehackt, wie ein User erläutert. Das bedeutet: Eindringen in fremde Rechnersysteme, zumeist gegen den Willen des Betreibers. Denn schließlich dreht sich hier alles um Computersicherheit und Verschlüsselungstechniken.

Die 1.800 Mitglieder des CCC setzen sich laut eigenem Statut für Informations- und Kommunikationsfreiheit ohne Zensur durch Regierungen oder Industrie ein. Für die Hacker sei das eine Art „Überlebensgarantie“, sagt CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. „Nur so kann das Leben in den Netzen gewahrt bleiben. Schließlich spielt sich ein Großteil unserer Kommunikation hier ab.“ Die Software-Industrie könne dagegen nicht für Sicherheit garantieren und halte zudem wichtige Bestandteile ihrer Programme geheim.

Kritik und Spott der Hacker-Szene zieht besonders das weltweit am meisten verbreitete Programm auf sich. Sobald Software-Entwickler Werner Koch in seinem Vortrag über Mail-Sicherheit den Namen „Windows“ erwähnt, stöhnen die jungen Männer in ihren Kapuzenpullovern und weiten T-Shirts auf. „Wir leben nach dem Prinzip, dass auch die bislang geheimen Bestandteile aller Programme, darunter auch die so genannten Quellcodes, frei verfügbar sein müssen“, erklärt Koch. Nicht umsonst widmet sich eine Veranstaltung am zweiten Tag dem Thema „Von der freien Software zur freien Gesellschaft.“ANDREAS RABENSTEIN/DPA

Infos: www.ccc.de/congress