Gedenken ist halt billiger

Morgen wird in Deutschland zum fünften Mal offiziell der Holocaust-Opfer gedacht. Aber die ehemaligen Zwangsarbeiter des Naziregimes warten noch immer auf eine Entschädigung

BERLIN taz ■ Morgen gedenkt Deutschland der Opfer des Holocaust. Die Überlebenden der NS-Zwangsarbeit müssen jedoch weiter auf eine Entschädigung warten. Wenn sie denn noch am Leben sind: Pro Jahr, so schätzen Experten, sterben rund zehn Prozent der Opfer. Allein in der Tschechischen Republik sind im vergangenen Jahr rund 4.000 von 50.000 Antragstellern verstorben.

Ein Grund für die weitere Verzögerung: Ein US-Bundesgericht in New York hat am Mittwoch die Abweisung der letzten von drei Sammelklagen vertagt. Für die Entscheidung von Richterin Shirley Kram sei der fehlende Beitrag der deutschen Wirtschaft zum Entschädigungsfonds entscheidend gewesen, betonten SPD und Grüne gestern. Ein Urteil will Kram in den nächsten zehn Tagen fällen.

Laut Stiftungsgesetz müssen zunächst die Klagen in den USA zurückgewiesen werden, damit der Bundestag die Rechtssicherheit für die deutsche Wirtschaft feststellen kann. Darauf verwies gestern die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. Erst dann, so ihr Sprecher Wolfgang Gibowski, werde die Industrie ihren Anteil am Entschädigungsfonds zahlen.

Die Bundesstiftung zur Entschädigung hat ihre Partnerorganisationen in Osteuropa angewiesen, schon jetzt Listen mit je 10.000 Entschädigungsanträgen zuzusenden. Damit soll eine weitere Verzögerung der Auszahlungen verhindert werden. Auf seiner zweitägigen Sitzung in Berlin beriet das Stiftungskuratorium zudem, ob die Antragsfrist für die Opfer von acht auf zwölf Monate verlängert werden kann.

Kuratoriumsmitglied Lothar Evers forderte gestern den Bundestag auf, den Beschluss zur Rechtssicherheit neu zu fassen. Er regte an, schon jetzt mit den Zahlungen zu beginnen, ohne auf den Ausgang des letzten US-Verfahrens zu warten. NM

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