„Schröder will ein Abnickgremium“

Um gesellschaftliche Gruppen stärker in die Diskussion um Biomedizin und Gentechnik einzubeziehen, will Gerhard Schröder einen „Nationalen Ethikrat“ einrichten. In der Ethikkommission des Bundestages regt sich Widerstand gegen die Konkurrenz

von NICOLE MASCHLER

Gerhard Schröder scheint als der Kanzler der drei großen K in die Geschichtsbücher eingehen zu wollen: Konsens, Kooperation, Kommission. Nach Zuwanderungskommission und Bündnis für Arbeit hat Schröder am Montag einen Nationalen Ethikrat angekündigt. Dieser solle beim Kanzleramt angesiedelt sein.

Ziel sei es, die bisher getrennte Diskussion von Expertenkreisen und gesellschaftlichen Gruppen zu ethischen Fragen zusammenzuführen, begründete ein Regierungssprecher den Vorstoß des Kanzlers. Dem Rat sollen Kirchen, Hochschulen, Verbände und Sozialpartner ebenso angehören wie Vertreter von Ärzteschaft, Behindertenverbänden und Patienten-Selbsthilfegruppen. Schröder will daher nun Gespräche mit verschiedenen Persönlichkeiten, Institutionen und Gremien führen. Um den Rat einzuberufen, ist ein Kabinettsbeschluss notwendig.

Allein ein solches Gremium existiert bereits: die Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Bundestages, der neben Abgeordneten der Parteien auch Ärzte, Richter und Sozialwissenschaftler angehören. Die Kommissionsmitglieder empfinden die Ankündigung des Kanzlers denn auch als Affront: „Schröder will ein Abnickgremium“, glaubt der stellvertretende Kommissionsvorsitzende Hubert Hüppe (CDU).

Hintergrund seien Meinungsunterschiede zwischen Kommission und Regierung in Sachen Gentechnik. Hüppe, zugleich Sprecher der Initiativgruppe „Schutz menschlichen Lebens“ der CDU/CSU-Fraktion, sieht vor allem bei der Stammzellengewinnung oder der Verwertung genetischer Daten Differenzen.

Das Argument des Kanzlers, den Diskurs mit der Bevölkerung zu stärken, lässt Vize-Kommissionsvorsitzender Hüppe nicht gelten. „Unsere Kommission macht Dialogveranstaltungen, zu denen jeder Bürger hingehen kann. Wir veranstalten Internet-Chats. Mehr Öffentlichkeit kann man nicht herstellen.“ Dem Kanzler gehe es um etwas ganz anderes: „Schröder will das eigentlich demokratisch legitimierte Gremium entmachten. Denn auflösen kann er uns ja nicht“, sagt CDU-Mann Hüppe.

Der vom Kanzler angekündigte Ethikrat solle seine Position in internationale Konventionen oder Vereinbarungen einbringen, rechtfertigt dagegen das Kanzleramt das neue Gremium. Die jährlichen Empfehlungen des Ethikrates sollten aber nicht Entscheidungen der politisch verantwortlichen Gremien ersetzen. Allerdings: Ziel sei es, „Stellungnahmen für politisches und gesetzgeberisches Handeln“ zu erarbeiten. Wie keine andere Wissenschaft berühre sie unmittelbar Wesen und Selbstverständnis des Menschen, hieß es im Kanzleramt.

Unterdessen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Entscheidung der Bundesregierung, 870 Millionen Mark für die Genomforschung bereitzustellen, begrüßt. „Damit kann man sehr viel weiter kommen“, sagte DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker gestern. Es gebe ein Recht auf Wissen und Nichtwissen um Fehler im Erbgut.