Schinkel macht es besser

Eine Foto-Dokumentation mit Bauten Karl Friedrich Schinkels zeigt den preußischen Architektur-Superstar in idealem Licht und dient als Warnung gegen Bayern, Denkmalpfleger und Schlossfans

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Es klingt schon ein wenig merkwürdig, wenn zur Eröffnung einer Ausstellung, die Macher der Schau für diese so recht keinen Grund erkennen wollen. Einen „runden“ Geburtstag, wie den 250. oder 300. gebe es mit der Ausstellung „Karl Friedrich Schinkel. Das architektonische Werk heute“ nicht zu feiern, entschuldigte sich der Festredner und Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan. Auch besteht in Berlin nicht die Gefahr, der berühmte preußische Baumeister könnte in der Versenkung verschwinden oder vergessen werden. Viel zu präsent sind seine Bauten wie die Neue Wache, das Alte Museum oder die Diskussionen um den Wiederaufbau der Bauakademie am Schlossplatz. Und auch die Monografien, wissenschaftlichen Abhandlungen oder Ausstellungen über Schinkel – wie die in der frisch sanierten Friedrichswerderschen Kirche gegenüber dem Auswärtigen Amt – sind Legion. Warum also Schinkel?

Den preußischen Architektur-Superstar des 19. Jahrhunderts zu präsentieren, wenn er 220 Jahre alt wird und das Land in „300 Jahre Preußen“ schwelgt, ist eine Sache. Eine andere ist, und das ließ sich Börsch-Supan nicht nehmen, dass im Alten Museum derzeit Leo von Klenze mit seinen höfisch-klassizistischen Bauwerken präsentiert wird. Dessen Münchener Gebäude und Stil, so Börsch-Supan, fand nicht nur Schinkel geschmacklos. Die Exposition zielt somit auf Konkurrenz und Klarstellung: erst Schinkel, dann Klenze, erst Preußen, dann Bayern, erst Berlin, dann München.

Wenn dem, zumindest in Berlin, wohl niemand widersprechen wird, so bleibt doch Tatsache, dass auch die Hauptstädter ihren preußischen Architekten nicht wirklich kennen. Fast schon ein Skandal ist es, dass es der Schinkel-Rezeption an einem aktuellen Werkverzeichnis und an einer Übersicht darüber mangelt, was von dem Baumeister erhalten und verändert wurde – oder trotz aller Kriege und Zerstörungen im einstigen Preußen überdauert hat.

Der Berliner Geologe und Fotograf Hillert Ibbeken, und das ist der eigentliche Anlass der Schinkel-Schau, hat mit einer wunderbaren Dokumentation in der Kunstbibliothek diesem Manko ein Ende bereitet. Mit Blick auf die Bauten in Berlin und Potsdam, am Rhein und bis zur Weichsel, stellt er kühl und sachlich auf Schwarzweiß den „Ist-Zustand“ der Schinkel-Bauten vor: Rund 150 Bauten gibt es noch, darunter Kirchen, Tempel und aufgemotzte Herrenhäuser sowie leider nur wenig wirklich gut erhaltene Schlösser und Kulturbauten. Gerade in Berlin sucht man Originale fast vergebens.

Ibbekens kunstvolle Ansichten, Details und Innenaufnahmen des Schaupielhauses, der Neuen Wache oder der Kirchen St. Paul (Wedding) und St. Elisabeth (Mitte), der Bauten von Glienicke und in Potsdam bestätigen das Urteil der Denkmalpfleger, „dass beim Wiederaufbau Berlins mit Schinkel oft rücksichtslos verfahren“ worden sei. Im Ostteil seien das Innere der Friedrichswerderschen Kirche, im Westteil nur der Pavillon am Schloss Charlottenburg sorgfältig rekonstruiert sowie die klassizistischen Interieurs des Tegeler Schlosses „unversehrt“ erhalten worden. Ansonsten verfuhr man von der Neuen Wache bis zum Wiederaufbau des Alten Museums am Lustgarten fahrlässig, als hätte man den Baumeister „eher gering geschätzt“. Zwischen Schinkels originalen romantischen und klassischen Architekturvorstellungen gestern (die werden in Zeichnungen dargestellt) und ihren Rekonstruktionen heute tun sich Gegensätze auf.

Und noch etwas Neues zeigen die 300 Exponate, die in einem recht teuren Fotoband zusammengefasst sind: Ibbekens Fundsache von 150 Objekten auf dem Gebiet des früheren Preußen – von Aachen bis ins heutige Polen – gibt den Blick frei auf die Vielseitigkeit und Stilsicherheit des Architekten. Von Ibbeken erfährt man von längst vergessenen Kirchen in Althaldensleben oder Peckelsheim, in Międzychód (Birnbaum), Lidzbark Warmiński und dem Schloss in Kórnik (Kurnik). Neben Herrenhäusern, Denkmälern, Leuchttürmen und Rathäusern hat Schinkel auch Schulbauten und Gutshöfe aus Ziegeln und dicken Feldsteinen errichtet, die neben den schmucken Tempeln wie von einem anderen Stern erscheinen.

Schinkel als Romantiker, Klassizist oder Regionalist – nie tritt der Preußische Staatsbaumeister als Kopist auf. Nachahmung war Schinkel nicht nur verhasst, sondern ein Indiz für Geschichtsfälschung. Nur das Neue schreibe die Geschichte fort, bemerkte er einmal. In diesem Sinne dient die Ausstellung auch als Mahnung an jene, die nicht nur die Bauakademie wieder auferstehen lassen wollen, sondern auch von der Rekonstruktion des Stadtschlosses von Schlüter träumen: noch ein Grund mehr für diese Schinkel-Ausstellung.

Noch bis zum 1. Mai in der Kunstbibliothek am Kulturforum. Der Bildband kostet 98 Mark