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: Putin handelt – und ändert nichts

Der Name „Gasprom“ gilt zwar als Synonym für unverschämten Reichtum, Staat im Staate, Korruption und Nepotismus. Aber die Russen verbinden auch Positives mit dem Gasmonopolisten: Fürsorge gegenüber Mitarbeitern etwa, die in Russland sonst ihresgleichen sucht. Wer es unter die Fittiche des Konzerns geschafft hat, der hat ausgesorgt – vom Fahrer bis zum Vorstandschef. In solche Strukturen einzubrechen, stellt Außenstehende vor erhebliche Schwierigkeiten. Selbst einen Kremlchef, dem zuweilen Omnipotenz nachgesagt wird.

Kommentarvon KLAUS-HELGE DONATH

Wladimir Putin hat nun den langjährigen Gasprom-Chef Rem Wyachirew aus dem Amt gedrängt – und damit Mut bewiesen. Die euphorische Reaktion der Börsianer und einiger Beobachter, die diese Entlassung mit dem Startschuss einer überfälligen Reform von Gasprom gleichsetzen, scheint nachvollziehbar.

Ob dem Rauswurf auch das Umkrempeln folgt, ist indes fraglich. Denn wer sich an Reformen wagt, müsste auch die korrupte Vergangenheit der alten Führung aufarbeiten. Nur: Daran mag man kaum glauben, wenn man hört, dass der geschasste Wyachirew schon Ende Juni zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden könnte.

An grundlegende Reformen scheint also niemand zu denken – zumal die Selbstbereicherung der politischen Kaste seit Jahrhunderten Teil des Systems ist. Kormlenie – Fütterung – hieß es früher. Es basiert auf dem stillen Einverständnis zwischen Beamtentum und Führung, dass wer loyal ist, ein Recht auf eine zusätzliche Einnahmequelle hat. Wird er zu dreist oder fällt der Untertan in Ungnade, greift der Zar eben mal ein. Wie jetzt Putin. Aus dieser Tradition resultiert jene unsägliche Verquickung von Politik und Wirtschaft, die in Russland viele Entwicklungen blockiert und Fortschritt so ungeheuer langsam vonstatten gehen lässt.

Dass sich unter der Ägide Wladimir Putins daran wirklich etwas ändern könnte, zeichnet sich bisher nicht ab. Im Gegenteil. Diese Hoffnung entbehrt sogar jeder Grundlage. Dem Kremlchef fehlt einfach die Macht, solche hypertrophen Strukturen wie Gasprom und die Armee aufzubrechen – selbst wenn er es überhaupt wollte. Und das ist nicht einmal sicher. Seine nur aus treuesten Gefolgsleuten zusammengesetzte Kremlriege hält jedenfalls – wie sich vielerorts bereits zeigt – vor allem Ausschau nach vollen Futtertrögen. Ganz wie man es von hungrigen Wölfen erwartet.

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