Gedächtnis der Schwulenbewegung

Aktionsbündnis: Magnus-Hirschfeld-Stiftung soll an schwule NS-Opfer erinnern und ihr kulturelles Erbe bewahren

BERLIN taz ■ Den Nazis galten Homosexuelle als Staatsfeinde. Deshalb nahmen sie das Berliner Institut für Sexualwissenschaft, das immer auch Treffpunkt für Andersliebende war, gleich nach der Machtergreifung ins Visier.

Zum Jahrestag der Institutsschließung am 14. Juni 1933 forderte ein Aktionsbündnis gestern in Berlin die Einrichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung – benannt nach dem Institutsgründer. Diese solle – ausgestattet mit 20 Millionen Mark – die NS-Verfolgung von Homosexuellen aufarbeiten und das kulturelle Erbe der Lesben und Schwulen in Deutschland erforschen.

Unmittelbar nach ihrem Machtantritt zerschlugen die Nazis die homosexuelle Bürgerrechtsbewegung der Weimarer Republik. Insgesamt etwa 50.000 Schwule wurden in der Nazizeit zu Gefängnisstrafen verurteilt, 10.000 bis 15.000 als „Schutzhäftlinge“ in Konzentrationslager eingeliefert.

Mit der Stiftung, fordert nun das Aktionsbündnis, solle die Bundesrepublik ihrer moralischen Verantwortung für die bislang ausgebliebene Entschädigung nachkommen.

Eine Rückerstattung für die Zerschlagung und Enteignung der schwul-lesbischen Infrastruktur hat es nach dem Krieg nie gegeben. Von den Nazis verfolgte Schwule hatten seit den 50er-Jahren allenfalls geringe Ansprüche im Rahmen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, in den 80er-Jahren kam der Härtefonds hinzu. Erst im Dezember forderte der Bundestag daher die Regierung auf, die Möglichkeit einer angemessenen, materiellen Entschädigung für diese Opfergruppe zu prüfen.

Bei der Stiftung geht um mehr als Geld. Die schwul-lesbische Infrastruktur (Cafés, Bibliotheken, Archive) sei entscheidend für die Identitätsbildung der Bewegung gewesen, so der Berliner Wissenschaftshistoriker Ralf Dose. Die Stiftung solle „dem Vergessen entgegenwirken“ – eine Art kollektives Gedächtnis schaffen. Dem Aktionsbündnis gehören zehn Initiativen an, darunter der Fachverband Homosexualität und Geschichte sowie die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. „Ich wünsche mir eine kontinuierliche Unterstützung der Geschichtsarbeit“, sagte Albert Knoll, Leiter des Archivs der Gedenkstätte Dachau und Mitinitiator des Appells.

Das Aktionsbündnis will nun in den kommenden Wochen Druck auf die Bundestagsfraktionen ausüben. Denn: „Wir haben den Eindruck, dass sich seit dem Parlamentsbeschluss vom Dezember nicht viel getan hat.“

NICOLE MASCHLER