IN MAKEDONIEN HABEN DIE INTERNATIONALEN ORGANISATIONEN VERSAGT
: Dynamik des Krieges

Jetzt ist es klar: Die Politik der internationalen Organisationen in Makedonien steckt nicht nur in der Krise, sie droht völlig zu scheitern. Denn nun zeigt sich, dass die von Wissenschaftlern und Friedensforschern aufgestellte Behauptung, es handle sich bei Makedonien um einen multikulturellen Vorzeigestaat, nichts anderes war als eine schöne Illusion. Die ohnehin nur in der Fantasie der Beschöniger existierenden Brücken zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen, der slawischen Makedonier und der albanischen Makedonier, sind zusammengebrochen. Nicht nur bei den Albanern zeigen sich die Radikalen, auch die slawisch-makedonischen Extremisten sind jetzt in die Offensive gegangen.

Dabei war die Strategie von EU und Nato gar nicht mal so schlecht. Man setzte auf zivile Prozesse, auf Ausgleich, auf einen Dialog und glaubte an die politische Lösung der Probleme. Mit Kompromissen und Reformen sollte die Diskriminierung der albanischen Bevölkerung abgemildert werden. Die Hoffnung also, es gäbe die Möglichkeit für einen rationalen politischen Dialog, brachte die internationale Gemeinschaft dazu, die slawisch-makedonische Führung zu Kompromissen zu zwingen. Und jetzt muss man eingestehen, dass diese von einem großen Teil der slawischen Bevölkerung abgelehnt werden. Ja, dass sich die slawische Bevölkerung gegen Nato, UN, EU und OSZE wendet, weil sie all diese Institutionen für Beschützer der in Wirklichkeit verhassten Albaner hält.

Im Falle der Evakuierung der UÇK-Kämpfer aus Aracinovo hat die Nato tatsächlich Partei ergriffen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Die Hoffnungen der Makedonier ruhen nun auf Russland – und damit auf einem Ost-West-Konflikt. Schließlich hat Putin ja den Einsatz von russischen Friedenstruppen angeboten. Wenn also nationalistische Emotionen die Politik beherrschen, wenn niemand mehr in der Lage ist, rational zu denken und zu handeln, ist nur das Schlimmste zu befürchten. Und das heißt unter den bestehenden Vorzeichen: Blutbäder, wie wir sie aus Bosnien und aus dem Kosovo kennen, sind nicht mehr ausgeschlossen, ja sie werden von Tag zu Tag wahrscheinlicher. Die Dynamik des Krieges noch aufzuhalten scheint fast unmöglich, da ein Teil der Bevölkerung sich so kriegstrunken schwadroniert hat, wie man es sonst nur aus Berichten von 1914 kennt.

Was aber tun? Soll sich die Nato vollends in den Konflikt reinziehen lassen? Es ist zu befürchten, sie steckt schon drin. Es geht jetzt nicht mehr um die Rettung der Illusion einer zivilen Gesellschaft. Den Frieden aber mit Waffengewalt durchzusetzen, dazu fehlen bisher die Logistik, der Wille und das Personal. ERICH RATHFELDER