Middelschwere Visionen

Wo bleiben die „innovativen Geschäftsmodelle“? Was wird aus Napster? Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff belässt es in Babelsberg bei vagen Ankündigungen

POTSDAM taz ■ Macht es eigentlich Spaß, Chef eines der weltweit größten Medienkonzerne zu sein? Thomas Middelhoff machte gestern jedenfalls nicht ganz den Eindruck: Eher lustlos präsentierte der Vorstandschef der Bertelsmann AG sein Unternehmen auf der Babelsberger Produzentenkonferenz: Man setze weiterhin auf Inhalte und die enge Ausrichtung an den Wünschen der Kunden – diese nicht gerade bahnbrechende Ansage hörte sich auch im Medien-Neudeutsch („Content!“, „Customer!“) eher spärlich an.

Immerhin: Nach „Teilmarktführerschaft“ wird jetzt wohl „Wertschöpfungspartnerschaft“ zum neuen Lieblingswort bei Bertelsmann. Und die soll auch das Dilemma der Produktionswirtschaft mildern: Sender, Produzenten und „weitere Interessenten wie zum Beispiel die werbetreibende Wirtschaft“ sollten aufeinander zugehen, so Middelhoff: „Hier fehlen innovative Geschäftsmodelle.“ RTL-Chef Gehard Zeiler wird es gehört haben. Und: Napster ist irgendwie zurück, doch der sonst für konkrete Ansagen bekannte Bertelsmann-Chef blieb hier auffällig schwammig: Nach dem geplatzten Start zum 1. Juli habe Bertelsmann seinen Einfluss geltend gemacht. „Die Technologie ist fertig“ – gemeinsam werde nach dem optimalen Starttermin gesucht. „Aus dem Piraten-Napster wird ein Unternehmen, das Sicherheit im Internet garantiert und die individuellen Urheberrechte respektiert“ – der Kompromiss zwischen Copyright und Kundenwunsch sei gefunden, sagte Middelhoff.

Details? Fehlanzeige. Dafür gab es mittelschwere Visionen: „Wer glaubt, Napster sei nur Musik, unterliegt einem schrecklichen Irrtum.“ Natürlich sind da in erster Linie die mittlerweile lizensierten Songs, daneben gibt es auch Exoten wie rund 125.000 chinesischen Volksmusiktitel. Doch schließlich hört sich schon heute sein Sohn Freddie „Harry Potter“ über Napster an. Illegal, was sonst.

„Dem Austausch von Dateien, die medien- oder entertainment-basiert sind, gehört die Zukunft“, formulierte der Vater: Random House, einer der größten englischsprachigen Verlage der Welt, hält bereits heute rund 80 Prozent seiner Bücher in digitalisierter Form bereit. „Und keine andere Marke auf der Welt“ sei wie Napster auf genau diesen Austausch spezialisiert: „Napster ist eines der erfolgreichsten Brands der letzten Jahre.“

Jetzt muss es nur noch funktionieren. Wenn in der schönen neuen Medienwelt dann individuelle „digital lockers“, eine Art virtueller Schließfächer, die Lieblingssongs, -bücher und -filme bündeln und jeder von überall her via Internet auf sein Schließfach zugreifen kann, ist klar, wem diese digitalen Spinde gehören sollen: Bertelsmann.

STG