Gegen das Ohnmachtsgefühl

Zivilcourage gegen rechts (10): In Jena will Lothar König den „rechten Konsens“ durchbrechen

Vor zwei Monate war es wieder einmal so weit: Mehrere Neonazis schlugen Lothar König sowie mehrere Jugendliche vor der evangelischen Jungen Gemeinde mitten in Jena zusammen. Einen der brutalsten Schläger konnte der Stadtjugendpfarrer bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Für König war der rechte Überfall kein Zufall. Schließlich hat er schon viele Demonstrationen und Aktionen gegen Rechtsextremisten organisiert und war kurz vor der Attacke in einem Videofilm zum Thema Extremismus als Musterbeispiel eines Linksradikalen gebrandmarkt worden. Auftraggeber des Films: die CDU Thüringen.

Musterbeispiel war König schon einmal, 1969 in der DDR. Damals erklärte die Stasi den 15 Jahre alten Knaben zum Staatsfeind, weil er in den Sommerferien mit weißer Kreide „Dubček!“ an eine Hauswand in seinem Heimatdorf Leimbach im Südharz geschrieben hatte. Danach durfte er keinen Schulabschluss mehr machen. König lernte Werkzeugmacher und engagierte sich unter dem Dach der Kirche in der DDR-Opposition. Später studierte er dann Theologie und kam 1990 zur Jungen Gemeinde in Jena.

Seit seinem Amtsantritt hat er ständig mit dem Problem des Rechtsextremismus zu tun. Gleich nach der Wende organisierte König zur Deeskalation noch ein Fußballspiel zwischen „Rechten“ und „Linken“. König spielte selbstverständlich mit, und die „Linken“ gewannen 4:2. Heute gibt es keine solchen Fußballspiele mehr, heute geht es zur Sache. Gruppen wie der „Thüringer Heimatschutz“ haben in und um Jena, Gera oder Saalfeld militante Netzwerke und „befreite Zonen“ aufgebaut. Kaum ein Tag vergeht in Thüringen ohne rechtsextreme Straftat. Im Visier der Rechten: Ausländer und die Jenaer Junge Gemeinde, die immer wieder mit Aktionen gegen die Neonazis Position bezieht.

Im Sommer 1995 hatte König großes Glück. Ein Schlagring traf ihn mit voller Wucht. Seine Augen blieben knapp verschont, aber die Narbe sieht man heute noch. Damals zollte ihm der gesamte Stadtrat Respekt für sein „demokratisches Engagement“. Heute versucht die CDU den unliebsamen Jugendpfarrer mundtot zu machen, die Fördergelder für die Junge Gemeinde stehen zur Disposition. König lässt sich davon nicht entmutigen. Er sieht seine Hauptarbeit darin, die „Öffentlichkeit wachzurütteln“ und den jungen Leuten, die gegen die Neonazis vorgehen wollen „das Ohnmachtsgefühl zu nehmen“. Große Demonstrationen „gegen den rechten Konsens“ wie in der Vergangenheit in Saalfeld, hält König mehr denn je für nötig, „als Zeichen der Hoffnung für uns alle“. BERND SIEGLER