Mangel an IP-Adressen: Das Internet ist voll

So langsam werden die IP-Adressen im Internet knapp und ohne IP-Adresse wird die Übertragung von Daten schwierig. Droht jetzt die "IPcalypse"? Dank IPv6 nicht.

Anders als Licht brauchen Daten Adressen, um ihren Weg zu finden. Bild: photocase / complize

Die "IPcalypse" ist nah. Wie viele IP-Adressen noch zur Verfügung stehen, ist nicht ganz klar - ein Zähler zeigt noch sieben Millionen freie IP-Adressen, ein anderer über 20 Millionen, ein Dritter steht auf Null. Doch eins ist sicher: schon bald ist jede der knapp 4,3 Milliarden IP-Adressen vergeben.

IP-Adressen sind sozusagen die Absende- und Empfangsadressen für Datenpakete. Jeder ans Internet angeschlossene Computer, jedes Smartphone, jeder Server bekommt eine solche Adresse zugewiesen, wenn er sich mit dem Netz verbindet - ohne die 12-stellige Adresse finden weder Webseiten, noch E-Mails oder Online-Videos den Weg zum Internetnutzer.

Grund zur Panik besteht nicht: "Den Konsumenten in Deutschland betrifft die IP-Knappheit erstmal nicht", erklärt Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco. Denn die IP-Adressen werden den Providern in großen Blöcken zugeteilt. Dass deutsche Nutzer keine IP-Adresse mehr zugeteilt bekommen könnten, ist somit vorerst nicht zu befürchten.

Grund zur Panik besteht auch deshalb nicht, weil die Lösung schon seit 13 Jahren bereitsteht: Die nächste Version des IP-Protokolls, IPv6, wurde 1998 zum offiziellen Nachfolger der alten IP-Technik IPv4 vorgestellt. Mit diesem Versionssprung stehen theoretisch 340 Sextillionen IP-Adressen zur Verfügung – mehr als genug für die gesamte Weltbevölkerung. Doch seit Jahren zögern die Provider bei der Umstellung auf die neue Technik: zu groß schienen die Investitionen, zu wenig drängend die Probleme.

Mobilfunk-Provider schonen die knappen IP-Vorräte, in dem sie mehreren Nutzern die gleiche IP-Adresse zuteilen - die Router des Providers sorgen dann dafür, dass die Datenpakete trotzdem ihr Ziel finden. Doch diese Verzögerungstaktiken funktionieren nicht länger. "Besonders China und Indien brauchen dringend neue IP-Adressen", sagt Rotert. Als die Länder von der Internet-Welle erfasst wurden, waren die IP-Adressen bereits knapp, für die vielen neuen Onliner Asiens ist die neue Technik unverzichtbar.

Auch in Deutschland bewegt sich endlich etwas: So will die Telekom noch in diesem Jahr mit dem IPv6-Einsatz in der Breite beginnen, auch andere Provider wollen so bald wie möglich starten. Noch sind sie aber noch nicht sicher, dass der Übergang auf die neue Protokoll-Version tadellos klappt. Kommt auch nur ein einziger Router auf der Strecke zwischen Nutzer und Server nicht mit dem neuen Protokoll klar, kann die komplette Verbindung scheitern. Im komplexen Zusammenspiel zwischen Hardware und Software kommt es immer wieder zu unerwünschten Überraschungen.

Am 8. Juni starten Unternehmen wie Google, Yahoo und Facebook daher einen globalen Testlauf; am "World IPv6 Day" liefern sie ihre Angebote mit der neuen Technik aus. Der Startschuss zu einer langwierigen Entwicklung: "Ich gehe davon aus, dass die beiden Protokolle noch zehn Jahre parallel verwendet werden", sagt Rotert. So sollen den Kunden in Zukunft beide Techniken gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden – wenn ein Angebot mit IPv6 noch nicht funktioniert, wird das alte IP-Format genutzt.

"Die Betriebsysteme wie Windows, MacOS oder Linux beherrschen das Protokoll bereits", sagt Rotert. Ein Flaschenhals sind jedoch DSL-Modems und WLAN-Router – hier sind nur wenige Produkte für die Zukunft gerüstet. Der Austausch der Altgeräte wird Jahre benötigen. Bei neuen Techniken wie dem Datenfunk LTE wird die Industrie hingegen gleich auf das neue Protokoll setzen können. Zwar verwenden IT-Konzerne wie Microsoft und Google schon lange intern die neue Technik, gerade in mittelständischen Unternehmen finden sich aber noch viele IT-Altlasten, die nicht einfach auf den neusten Stand zu bringen sind: uralte Lagerverwaltungen, Fertigungssysteme oder Buchhaltungsprogramme, die bisher anstandslos funktioniert haben, aber den Sprung in die neue Zeit nicht schaffen.

Um die Umstellung hinauszuzögern, werden sich die betroffenen Unternehmen etwas einfallen lassen müssen. "Ich kann mir vorstellen, dass eine Firma eine andere Firma nur deshalb aufkauft, um deren IPv4-Adressen zu übernehmen", sagt Rotert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.