in Kürze
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Porträt
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Machte einfach weiter: Jennifer Heß, Bogenschützin Foto: Hokus-Fokus

Die nicht zu Entmutigende

Mit einem Arm hebt sie den Bogen, der andere spannt die Sehne. Ihre Augen sind auf die Zielscheibe gerichtet, in 70 Metern Entfernung. Mit bis zu 240 Kilometern die Stunde schießt der Pfeil durch die Luft und landet im kleinsten von zehn konzen­trischen Kreisen – Höchstpunktzahl. Jennifer Heß trainiert für die Paralympischen Spiele, die am Mittwoch im brasilianischen Rio beginnen.

Sport spielte immer eine große Rolle für die gebürtige Hamburgerin. In ihrer Jugend probierte die heute 40-Jährige vieles aus, Volleyball und Badminton, Kampfsport und Reiten. Den größten Erfolg hatte sie im Schwimmen: Mehrfach gewann sie die schleswig-holsteinischen Landesmeisterschaften.

Damit war es 2008 ganz plötzlich vorbei – Heß verunglückte beim Reiten: „Das Pferd scheute, ich fiel und landete mit meinem Rücken auf Beton. Der Aufprall verletzte mein Rückenmark. Seitdem kann ich meine Beine nur noch ganz eingeschränkt bewegen.“ In der Zeit danach seien zwar Tränen geflossen, sagt Heß, die inzwischen in Mölln lebt und trainiert. Die dreifache Mutter berichtet aber von der Unterstützung duch ihre Familie: „Meine Kinder besuchten einen integrativen Kindergarten und waren deshalb an den Umgang mit Behinderten gewöhnt. Sie sagten: ‚Früher hast du uns geschoben, jetzt schieben wir dich.‘“

Die Entscheidung, weiterhin Sport zu treiben, traf Heß schon im Krankenhaus. Acht Monate nach ihrem Unfall schoss Heß die ersten Pfeile, schon 2012 gewann sie dann ihren ersten großen Titel: die Meisterschaft des Deutschen Behindertensportverbandes – in der Halle und im Freien. Sie sicherte sich mehrere Medaillen bei internationalen Turnieren und konnte sich so für die Paralympischen Spiele in Rio qualifizieren.

Während der Vorbereitung trainierte sie nun fast täglich, schoss aber nur alle zwei Tage, um ihre Schulter zu schonen. Um die Barrierefreiheit in Brasilien macht sie sich keine großen Sorgen. Bei Turnieren im Ausland habe sie immer wieder große Rücksicht der Bevölkerung erfahren. In Deutschland hingegen müsse etwas getan werden. Antonius Tix