Fußballer vor Gericht in der Türkei: Freiheit nur auf dem Arm

In Diyarbakır drohen dem deutschtürkischen Fußballer Deniz Naki bis zu fünf Jahre Gefängnis. Ihm wird Terrorpropaganda vorgeworfen.

Naki schwenkt eine Fahne im Stadion

Deniz Naki bei seinem Abschied in Hamburg Foto: imago/Annegret Hilse

Fabio De Masi sagt: „Dass sich Deniz Naki der Sache stellt und eine so klare, gute Haltung zeigt, ist lobenswert.“ „Die Sache“ ist eine ziemlich heikle Angelegenheit für den Fußballer Deniz Naki. An diesem Donnerstag steht der Profi des türkischen Drittligisten Amed SK in Diyar­bakır vor Gericht. De Masi, Abgeordneter für die Partei Die Linke im EU-Parlament, wird zusammen mit seinem Parteifreund und Türkei-Kenner Professor Norman Paech als Prozessbeobachter vor Ort sein.

Naki ist vor 27 Jahren in Düren geboren, gewann 2008 mit der Deutschen U19-Nationalmannschaft den Europameistertitel und kickte später für den FC St. Pauli und den SC Paderborn. Als Deutscher Staatsbürger hätte er die Türkei verlassen können, aber er stellt sich den Anschuldigungen. Ihm wird Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen, im schlimmsten Fall drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Nach einem Pokalsieg seines Klubs gegen den Erstligisten Bursaspor Anfang 2016 hatte Naki unter anderem auf Facebook gepostet, er widme den Sieg denen, „die bei den Grausamkeiten, die seit über 50 Tagen auf unserem Boden stattfinden, getötet oder verletzt wurden“. Naki spielte damit auf die auch vor allem zivilen Opfer an, die die blutigen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der PKK im kurdischen Südosten fordern.

Nakis Verein Amed SK ist in Diyarbakır (kurdisch: Amed) beheimatet, einer vorwiegend von Kurden bewohnten Stadt in Südosten Anatoliens. In einem ersten Verfahren wurde Naki im November freigesprochen. Seine Äußerungen, so die Begründung, fielen unter das Recht der freien Meinungsäußerung. „Ich bin einfach nur froh, dass das Ganze ein Ende hat und sich meine Familie und Freunde und alle, die hinter mit standen, keine Sorgen mehr machen müssen“, sagte Naki damals. Doch das war ein Trugschluss: Ein der regierenden AKP und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan naher Staatsanwalt beantragte Revision.

Solidarität vom DFB

Vor dem erneuten Gang vor Gericht am Donnerstag will sich Naki nicht mehr öffentlich äußern. Das sei in dieser angespannten Gesamtsituation in der Türkei auch klug, meint Prozessbeobachter De Masi. Der 37-jährige EU-Parlamentarier lebt in Hamburg und wird sich vor Prozessbeginn mit Naki und dessen Rechtsbeistand treffen. Im Gepäck hat er Solidaritätsadressen aus Deutschland, zum Beispiel auch die gerahmte Titelseite des aktuellen Stadionhefts des FC St. Pauli zum Zweitliga-Heimspiel an diesem Dienstag gegen den SV Sandhausen. Auf der ist der ehemalige Klubheld Deniz Naki groß abgebildet.

Der DFB teilt die Solidaritätsadressen mit seinem ehemaligen U21-Nationalspieler in den sozialen Netzwerken, auch die Deutsche Botschaft in Ankara beobachtet den Fall. Nach dem Freispruch im November meinte der damalige Prozessbeobachter, der Linken-Politiker Jan van Aken, „der internationale Druck habe mal funktioniert“.

Hoffnung auf schnelle Entscheidung

Vom türkischen Fußballverband (TFF) darf Naki keine Unterstützung erwarten. Ohne Anhörung wurde der Fußballer nach seinen Posts nach dem Bursa-Spiel Anfang 2016 wegen „unsportlichen Äußerungen und ideologischer Propaganda“ für zwölf Spiele gesperrt. Und erst jüngst sprach TFF-Präsident Yıldırım Demirören bei einem Symposium in Istanbul dem anwesenden Staatspräsident Erdoğan seine Unterstützung zu. Er hoffe, so der Öl-und Gas-Magnat Demirören, am 17. April in einer Türkei aufzuwachen, die mit „Evet“ (Ja) gestimmt habe. Am 16. April stimmen die Türken in einem Referendum über eine Verfassungsänderung ab, die dem Staatspräsident noch mehr Macht bringen soll. Wer mit „Evet“ stimmt, ist für die ­Änderung der Verfassung, wer mit „Hayır“ (Nein) votiert, dagegen.

Deniz Naki sagt, es sei ihm dabei egal, von welcher Seite die Gewalt komme. Es gehe ihm darum, dass der Krieg aufhöre

Weil in der Türkei die Gerichte derzeit mit Anklagen gegen Menschen wegen Terrorpropaganda für die PKK oder Mitgliedschaft in der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, die die Regierung für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich macht, geflutet werden, hoffen Beobachter auf ein schnelles Ende des bizarren Verfahrens gegen Deniz Naki. Der versteht seine Posts und Äußerungen als Aufruf zum Frieden.

Nach seinem Freispruch in erster Instanz erklärte Naki: „Ich habe immer gesagt: Ich möchte nicht, dass Menschen sterben.“ Es sei ihm dabei egal, von welcher Seite die Gewalt komme. Es gehe ihm darum, dass der Krieg aufhöre. „Azadî “ – das kurdische Wort für Freiheit – hat Deniz Naki übrigens auf seinen Arm tätowiert.

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