Buch über Donald Trump: Das tollste Team aller Zeiten

„Fire and Fury“ enthüllt die narzisstischen Grabenkämpfe im Weißen Haus. Dem Präsidenten dürfte die Aufregung um das Buch nicht einmal schaden.

Donald Trump hinter einem Rednerpult, daneben eine Reihe Männer

Trump und sein geniales Team Foto: ap

NEW YORK taz | Donald Trump hätte es besser wissen können. Der Journalist, der in diesen Tagen öffentlich die Unfähigkeiten, Eitelkeiten, Launen, Ideen- und Planlosigkeiten des US-Präsidenten sowie dessen MitarbeiterInnen im Weißen Hauses vorführt, ist bekannt für vernichtende Porträts. Ein Anruf bei Rupert Murdoch hätte genügt. Der Medienmogul, der vor ein paar Jahren „Opfer“ eines anderen Enthüllungsbuchs von Michael Wolff geworden ist, hätte seinen langjährigen Vertrauten Trump warnen können.

Stattdessen konnte Wolff mit einem einfachen Trick frühzeitig in das Innerste der Trump-Welt vordringen: Schmeicheleien. Unter anderem ein wohlwollend geschriebenes Interview mit dem Kandidaten Trump, ein lobhudelndes Gespräch mit dessen angehendem „Chefstrategen“ Stephen Bannon. Das öffnete Türen. Wolff, ein Boulevard-Journalist aus New York, konnte monatelang Mäuschen im Trump Tower an der 5th Avenue und im Weißen Haus spielen, bekam Zugang zu den ­zentralen Figuren, die dort gegeneinander und für sich selbst kämpften, und beobachtete aus nächster Nähe Dinge, die andere nur vermuteten.

Das Resultat ist eine Beschreibung, in der der Präsident nackt ist. Sie kommt unter einem ironischen Titel daher, der Trumps bislang gefährlichste Androhung gegen den Rest der Welt zu einer Waffe gegen ihn selbst macht. „Fire und Fury“ – Feuer und Wut – waren die Worte, die der Präsident benutzte, um Nordkorea atomare Schläge in Aussicht zu stellen. Stattdessen steht er jetzt selbst – auf 336 Seiten – im Visier.

Der irre Präsident

Wolff beschreibt einen auf sich selbst zentrierten, übergewichtigen, alten Mann, dessen Leben und Arbeit sich zuvor jahrzehntelang in drei Stockwerken seines Hochhausturms in New York abgespielt hat. Im Weißen Haus zieht er sich am liebsten abends schon um 18.30 Uhr mit einem Cheeseburger in sein mit niemandem geteiltes Schlafzimmer zurück und schaltet die drei Fernsehbildschirme an. Er ist der erste Präsident, der ein Schloss an seiner Zimmertür im Weißen Haus anbringen lässt, und er isst McDonald’s Fast Food, weil er Angst hat, vergiftet zu werden.

Wenn das Medienecho nicht Trumps Drang nach Lobhudelei entspricht, weint er sich in langen Telefonaten bei FreundInnen aus. Auch diese Jammereien finden sich in Wolffs Buch. Jenseits seiner eitlen Oberflächlichkeit hat der Präsident die Aufmerksamskeitsspanne eine Schulkinds. Als sein Berater Sam Nunberg versucht, ihm die Zusätze zur US-Verfassung zu erklären, gibt er schon beim vierten der 27 Zusätze auf. Texte, die länger als eine Seite sind, liest der Präsident nicht. Ernste Gespräche, die länger als ein paar Minuten dauern, erträgt er nicht. Aber seine MitarbeiterInnen nennt er „Verlierer“, „Trottel“ und „Zwerg“. Seiner Kommunikationsberaterin Hope Hicks sagt er im Weißen Haus ins Gesicht, sie sei ein „guter Hintern“.

Seine machtgeilen MitarbeiterInnen

Trumps MitarbeiterInnen unterteilen sich nach Wolffs Beobachtung in mindestens drei gegenein­ander kämpfende Lager. Das Lager mit der klarsten ideologischen Kontur ist angeführt von Bannon, dem selbsterklärten Vordenker der radikalen Rechten in den USA, der Trump seine Einwanderungspolitik und seinen Rückzug aus internationalen Abkommen einflüstert. Bannons Büro im West Wing bleibt bis zu seinem Rausschmiss im zurückliegenden Sommer quasi unmöbliert, aber er ist der Mann aus Trumps Entourage, der sich am längsten im Weißen Haus aufhält. Der nachlässig frisierte und gekleidete Bannon trägt oft tagelang dieselben Hemden, weil er es nachts nicht nach Hause schafft.

Bannon war auch die wichtigste Quelle von Buchautor Wolff. Im Weißen Haus kämpfte Bannon erbittert und zuletzt vergeblich gegen die beiden anderen Fraktionen: einerseits „Jarvanka“, wie sowohl Bannon als auch der Buchautor die Trump-Tochter Ivanka und ihren Gatten Jared Kushner nennt.

Die „Jarvanka“ waren vor der Wahl gefühlte Mainstream-Demokraten und New Yorker Milliardärsnachwuchs ohne andere Erfahrungen in der Welt. Im Weißen Haus holten sie sich Verstärkung von Goldman Sachs. Sie machten den Exchef der New Yorker Finanzinstitution, Gary Cohn, zu Trumps Wirtschaftsberater. Und sie überzeugten Dina Powell, die zuvor ebenfalls für Goldman Sachs gearbeitet hat, als „Strategin“ zu kommen.

Als Gott das Hirn austeilte

Der Autor macht sich auch Bannons und Trumps Einschätzung über die limitierten intellektuellen Fähigkeiten der Trump-Söhne Don jr. und Eric zu eigen. Laut Vater haben sie hinten im Klassenraum gestanden, als Gott das Hirn austeilte. Aus ihrer New Yorker Jugend hängen ihnen die Spitznamen „Uday“ und „Qusay“ nach, die an Sadam Husseins Söhne erinnern. Aber auch die öffentlich verehrte Tochter Ivanka kommt in Wolffs Buch als strohdumm daher. Und ihren Vater zitiert er mit dem Wunsch: „Jared und Ivanka hätten nie nach Washington kommen sollen.“

Jared Kushner ist einer der vielen, denen Trump je nach Laune in den Rücken fällt. Nach nur wenigen Monaten im Weißen Haus drohen dem Schwiegersohn, den Trump für eine Lösung des Nahostproblem losgeschickt hatte, wegen seiner ­Russlandkontakte eine Verurteilung zu Gefängnis und der Bankrott. Wolff beschreibt, dass die „Jarvanka“ immer wieder in den Urlaub flüchten.

Die dritte Fraktion ist angeführt von Reince Priebus, der Trump bis zum Sommer 2017 als erster Stabschef im Weißen Haus diente. Priebus war ein wenig subversives U-Boot des Apparats der republikanischen Partei bei dem Präsidenten, den sie nie im Weißen Haus gewollt hatte.

Zwischen Bannon, den „Jarvanka“ und Priebus finden permanente Kämpfe und lähmende Intrigen statt. Sie geben Geheiminformationen an die Medien, um sich gegenseitig zu denunzieren, stellen sich Fallen und versuchen den Präsidenten gegeneinander aufzuhetzen. Einig hingegen sind sie in ihrer Einschätzung ihres Präsidenten. Sie sehen ihn als Gefahr. So versuchen sie, seine Tweets und spontanen Reden sowie seine emotionalen Rausschmisse zu verhindern.

Kaum Dementis

Trumps Reaktion auf das Buch – „Ich bin ein sehr stabiles Genie“ und sein Ansinnen, den Buchverlag juristisch zu belangen und die InterviewpartnerInnen des Buchautors beruflich auszuschalten – bestätigt seine leicht verletzliche Eitelkeit. Aber ­Dementis zu dem Buch gibt es kaum. Für den Hauptbelastungszeugen Bannon könnte das Buch dennoch ein Karriereknick werden. Denn Trump hat ihm die Freundschaft gekündigt. Und die Milliardärsfamilie Mercer, die Bannon bislang unterstützte, will ihn offenbar aufgeben.

Für Trump ist das Buch ein Gefecht, wie er sie im zurückliegenden Jahr schon viele geführt und gewonnen hat. Im Hintergrund arbeitet er weiter an der Umsetzung des republikanischen Traumprogramms. Nachdem er kurz vor Weihnachten die Unternehmensteuern gesenkt und fast alle verbleibenden Einschränkungen für die Ölförderung aufgehoben hat, arbeitet er nun weiter an seiner radikalen Einwanderungspolitik. Solange alle auf das Buch starren, ist er dabei ungestört.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.