Markus Söders Wahlkampf in Bayern: Franke mit Füllhorn

Der Kurs Söders ist klar: milliardenschwere Wahlgeschenke, ein bisschen Populismus. Und möglichst viele Reizthemen abräumen.

Söder winkt, im Hintergrund gemalte Berge

„Star Wars“-Fan: Markus Söder Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Also, die Sache mit der Raumfahrt bringt Hubert Aiwanger doch ins Grübeln. Ein neues bayerisches Raumfahrtprogramm namens Bavaria One hat der bekennende „Star Wars“-Fan Markus Söder gerade im Landtag angekündigt. Ziel sei die Entwicklung unbemannter suborbitaler Flugkörper. Unbemannt?, fragt sich Aiwanger. Nein, wenn, dann solle die CSU bitte schon einen Mann zum Mond schießen – und zwar ihren Besten. Keine Frage, wen der Chef der Freien Wähler damit meint.

Es ist die 130. Vollsitzung des Bayerischen Landtags, in der Söder vergangene Woche seine erste Regierungserklärung als Ministerpräsident abgibt. Bayern ist überall Nummer eins, so die Botschaft. Und er werde es noch nummereinsiger machen. Nicht nur in der Weltraumforschung, sondern auch, was Kardiologie, Tourismus, Flugtaxis, Wohnungsbau, Dialektpflege, Artenschutz angeht – und die Polizeipräsenz. Jede Großstadt will er mit mindestens einer Reiterstaffel ausstatten. „Die berittene Polizei ist unsere bayerische Kavallerie.“

Es ist ein Füllhorn, das Söder über die Wähler ausschüttet. Eine Milliarde Euro lässt er sich die rund 100 Einzelmaßnahmen allein in diesem Jahr kosten. An der Regierungserklärung lässt sich ablesen, wie Söder als Ministerpräsident Politik machen wird – rein funktionalistisch. Nur der Wahlsieg im Oktober zählt.

Auf der einen Seite ist da der bekannte Populismus, dem Söder treu bleibt. Vor allem bei den Themen Flüchtlingspolitik und Leitkultur. Wer hierherkomme, müsse sich „an unsere Werte, Sitten und Gebräuche anpassen“. Und: „Wir helfen anderen gern, aber wir dürfen darüber die einheimische Bevölkerung nicht mehr vergessen.“ Das also, was SPD-Chefin Natascha Kohnen kritisiert als „Skrupellosigkeit, wenn es darum geht, Menschen gegeneinander auszuspielen“. Zu diesem Versuch, der AfD das Wasser abzugraben, gehört die Einrichtung eher symbolträchtiger Institutionen wie die eines Bayern-BAMF oder eines bayerischen Grenzschutzes, aber auch die eines dritten Abschiebegefängnisses.

Kaum im neuen Amt, hat er sie kassiert

Auch das trotzige Aufhängen von Kreuzen in jeder baye­rischen Behörde, das Söder in seiner Regierungserklärung angekündigt hat, passt zu dem Bestreben, eine konservative Klientel anzusprechen. Dafür nimmt der Protestant gern in Kauf, sich in den sozialen Medien zum Gespött zu machen. Wie gestern, als er eigenhändig in der Staatskanzlei ein Kruzifix an die Wand nagelte. Bei der Aktion geht es freilich nicht um die christliche Tradition, der sich Teile der CSU noch immer verbunden fühlen, sondern vornehmlich darum, das Kreuz als leitkulturelles Symbol zu instrumentalisieren.

Bei anderen Themen bleibt für ideologische Scharmützel in Söders neuer Welt jedoch kein Platz. Wo immer möglich, versucht er, Reizthemen abzuräumen. In der Umweltpolitik lässt sich das gut beobachten. Etwa bei der Skischaukel am Riedber­ger Horn: Als Heimatminister forcierte er sie noch vehement. Kaum im neuen Amt, hat er sie kassiert. Ebenso die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, die er lange leidenschaftlich verfocht. Jetzt: auf Eis gelegt. Zu groß der Widerstand in der Bevölkerung. Auch den dritten Nationalpark opferte er samt der bisherigen Umweltministerin. Zu viel Widerstand der eigenen Leute, zu wenig zu gewinnen.

Sachpolitische Überzeugungen kann man Söder kaum unterstellen. Mit einiger Chuzpe vollzieht der 51-Jährige noch die drastischsten Kehrtwenden: Quasi nebenbei schafft er das einstige CSU-Herzensprojekt Betreuungsgeld ab und ersetzt es durch ein Familiengeld.

Die Freien Wähler haben es versucht

Besonders beeindruckend war die Schnelligkeit, mit der in den vergangenen Tagen das Psychiatriegesetz zunächst auf den Tisch kam und dann gleich wieder abgeräumt wurde. Am Dienstag wurde im Landtag gerade eine Petition gegen das höchst umstrittene Gesetz überreicht, da erklärte Söder es schon wieder zu Altpapier. So soll nun auf die Zentraldatei verzichtet werden, in der ursprünglich alle in der Psychiatrie untergebrachten Kranken registriert werden sollten. Außerdem gibt es keine Verweise mehr auf den Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter.

Kavallerist Söder galoppiert in einem solchen Tempo davon, dass er die Opposition nur noch ratlos zurücklässt. So einen vor sich herzutreiben fällt schwer. Die Freien Wähler haben es versucht – mit einem Volksbegehren zu den ungeliebten Straßenausbaubeiträgen. Söder ließ sie abschaffen. Die Grünen probieren es derzeit mit einem Volksbegehren nach Eindämmung des Flächenfraßes, und ein Untersuchungsausschuss soll sich ab dieser Woche mit dem Verkauf von 32.000 staatlichen Wohnungen beschäftigen, den Söder als Finanzminister zu verantworten hatte.

Am breitesten und heftigsten ist die Front, die sich aktuell gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz formiert. In der vergangenen Woche hat sich hierzu ein Bündnis der Gegner zusammengeschlossen, das aus 40 Organisationen und Parteien besteht. Hier die Wogen zu glätten dürfte für Söder etwas schwieriger werden.

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