Darauf ein Honigbrot

Ein Volksbegehren für mehr Artenvielfalt in Bayern ist ein Erfolg. Der Bauernverband ist nicht begeistert, CSU-Ministerpräsident Markus Söder beruft einen runden Tisch ein

Schwänzeltanz: Bienenfreund auf dem Münchner Marienplatz im Siegestaumel Foto: Lino Mirgeler/dpa

Aus München Dominik Baur

So ganz wollte man sich dem frühzeitigen Sieges­taumel dann doch nicht ergeben. Am Mittwochmorgen twitterte der Bund Naturschutz (BUND) denn auch: „Wer sich noch nicht für das #Volksbegehren eingetragen haben sollte, machen! Die Zahlen sind noch nicht offi­ziell.“ Nicht, dass sich am Ende doch noch jemand verzählt haben sollte. Denn Tags zuvor hatte die Beauftragte Volksbegehrens „Rettet die Bienen“,, Agnes Becker, mitgeteilt: „Bis Montagabend haben sich bereits über eine Million Wählerinnen und Wähler für ein besseres Naturschutzgesetz eingetragen.“ Damit waren schon zwei Tage vor Ende des Eintragungszeitraums die nötigen 10 Prozent erreicht.

Besonders in den großen Städten war der Andrang erwartungsgemäß besonders hoch. So hatten sich allein in München bis Montagabend schon rund 148.000 Menschen in die Listen eingetragen, was einer Quote von 16,18 Prozent entspricht. Auch am Mittwoch konnten die Wahlberechtigten in Bayern noch ihre Unterschrift leisten, um dem Volksbegehren für die Artenvielfalt noch größeres Gewicht zu verleihen. „Je größer der Zuspruch, desto höher der Druck auf Ministerpräsident Söder, die Forderungen des Volksbegehrens für wirksamen Artenschutz in Bayern auch umzusetzen“, so Becker, die Mitglied der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) ist.

Und Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im bayerischen Landtag, sagte: „Wenn bis Mittwochabend noch alle unterschreiben, die bisher keine Zeit dafür gefunden haben, können wir dieses Volksbegehren zum erfolgreichsten seit über 50 Jahren machen und ein deutliches Zeichen an die bayerische Staatsregierung senden.“ Die offiziellen Zahlen werden an diesem Donnerstag vom Landeswahlleiter vorgelegt.

Mit dem Erfolg ist die zweite Hürde – die schwierigste, wie viele sagen – genommen. Denn jeden zehnten Wahlberechtigten bei Wind und Wetter zum Gang ins Rathaus zu bewegen, ist keine Kleinigkeit. Einige Volksbegehren sind in diesem Stadium schon gescheitert. So verfehlte 2004 das Volksbegehren „Aus Liebe zum Wald“ gegen eine Forstreform der Regierung Stoiber ganz knapp die Zehnprozentmarke: 9,3 Prozent der Wahlberechtigten hatten unterschrieben.

Ziel des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ ist eine umfassende Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes. Vor allem soll es künftig einige verpflichtende Maßnahmen gegen das Artensterben beinhalten. Man habe schon zu lange auf Freiwilligkeit gesetzt, so die Initiatoren – allerdings ohne Erfolg. So soll künftig ein Biotopverbund im Freistaat geschaffen werden, Hecken, Bäume und kleine Gewässer sollen in der Landwirtschaft erhalten werden, ebenso blühende Uferstreifen an allen Bächen, 10 Prozent aller Wiesen sollen in Blühwiesen umgewandelt und der Naturschutz in die Ausbildung von Land- und Forstwirten aufgenommen werden. Außerdem soll der Anteil des ökologischen Landbaus bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ausgebaut werden. Noch sind es weniger als 10 Prozent.

Angestoßen hatte die ÖDP das Volksbegehren. Nachdem es im Oktober vom Innenministerium zugelassen worden war, schloss sich allerdings ein Bündnis von über 170 Partnern an, darunter auch Grüne, SPD und verschiedene Naturschutzorganisationen.

Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug. Der Bayerische Landtag hat im Prinzip drei Möglichkeiten: Er kann die vom Volksbegehren geforderten Gesetzesänderungen übernehmen, und die Sache wäre erledigt. Er kann aber auch die Forderungen der Artenschützer in Bausch und Bogen verwerfen, dann muss der Wähler in einem Volksentscheid befinden, ob der Gesetzentwurf umgesetzt wird oder alles beim Alten bleibt. Inzwischen ist aber schon klar, dass es auf eine dritte Möglichkeit hinauslaufen wird: Es kommt zu einem Volksentscheid, bei dem der Landtag noch einen eigenen Gesetzentwurf zur Auswahl stellt.

Bayern Nein, der Bayer beschränkt sich entgegen landläufiger norddeutscher Vorurteile bei der Ausübung seiner demokratischen Rechte nicht darauf, alle paar Jahre bei der CSU ein Kreuz zu machen. Abgesehen davon, dass dies bei der letzten Landtagswahl ohnehin nur noch etwa jeder vierte Wahlberechtigte getan hat, nimmt der Souverän im Bayern gern auch mal die Gesetzgebung selbst in die Hand.

Begehren Seit Ende der sechziger Jahre gab es 21 Volksbegehren im Freistaat, von denen immerhin fünf erfolgreich ausgingen. Der Senat, eine zweite Parlamentskammer in Bayern, wurde auf diese Weise abgeschafft, ebenso wie die Studiengebühren und das neue Nichtrauchergesetz. Gerade die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) hat sich hier als sehr erfolgreich hervorgetan. Auch auf kommunaler Ebene wird die direkte Demokratie über den Bürgerentscheid intensiv gelebt. Dieser wurde 1995 eingeführt – per Volksentscheid gegen den Willen der CSU. (dob)

Nach langem Zögern hatte sich Ministerpräsident Markus Söder noch während des laufenden Volksbegehrens einen runden Tisch angekündigt. Im Gespräch mit den Initiatoren des Volksbegehrens, aber auch mit dem Bauernverband will er bis zum Frühsommer ein Naturschutzgesetz erarbeiten, das einen besseren Artenschutz gewährleistet. Nachdem bekannt war, dass die 10 Prozent sicher waren, twitterte Söder: „Unser Ziel ist ein gesellschaftlicher Konsens. Wir wollen Natur nicht gegen die Bauern schützen, sondern mit ihnen.“

So wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob sich die beiden Seiten auf einen Gesetzentwurf einigen können, der dann auch von den Initiatoren des Volksbegehrens mitgetragen wird, oder die Regierungsmehrheit von CSU und Freien Wählern einen eigenen, nicht konsensfähigen Vorschlag vorlegen wird. Zu einem Volksentscheid dürfte es aber in jedem Fall kommen. Selbst wenn sich das Bündnis des Volksbegehrens am runden Tisch mit der Regierung einigen sollte, ist das Volk noch einmal aufgerufen, da die Unterschriften ja nur für den ursprünglich Gesetzentwurf geleistet wurden und kein Verhandlungsmandat für die Initiatoren darstellen.

Aller Voraussicht nach wird der Volksentscheid dann zeitgleich zur Europawahl am 26. Mai stattfinden. Dann genügt die Mehrheit der Stimmen für einen der Gesetzentwürfe oder den Status quo. Ein bestimmtes Quorum muss nicht erreicht werden, da es um keine Änderung der Verfassung, sondern nur eines einfachen Gesetzes geht.

Die Abgeordneten der SPD, die ebenfalls Bündnispartner ist, schmierten sich am Mittwoch im Landtag zur Feier des Tages schon einmal Honigbrote, machten zugleich aber auch klar, dass sie keinem „Alibikompromiss“ Söders zustimmen würden. Der hatte am Ende seines Tweets noch nachgeschoben: „Wir wollen versöhnen, statt zu spalten.“ Das konnte man zwar als selbstkritische Begründung für die neue Offenheit gegenüber den Naturschützern verstehen. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass es als Spitze gegen die Initiatoren des Volksbegehrens gemeint war, denen besonders der Bauernverband immer wieder unterstellt hatte, sie richteten sich gegen die Landwirte – auch wenn die Initiatoren stets betonten, dass die Maßnahmen den Bauern sogar neue Perspektiven eröffneten.

Der Bauernverband, der in der Regel auf die Unterstützung der CSU zählen kann, ist der vehementeste Gegner des Volksbegehrens und lehnt vor allem verpflichtende Maßnahmen kategorisch ab. „Das Ganze ist ja in einer sehr emotionalen Stimmung abgelaufen“, klagte Verbandspräsident Walter Heidl am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Er kritisierte ebenfalls, dass sich das Volksbegehren zu sehr auf die Landwirtschaft konzen­triert habe. Gefahren für Insekten wie der zunehmende Flugverkehr oder die Feinstaubbelastung blieben außen vor. „Es ist zu kurz gesprungen aus unserer Sicht. Wir brauchen einen Ansatz, der weiter greift.“ Mit der Forderung nach weitergehenden Maßnahmen dürfte Heidl freilich offene Türen bei den Naturschützern einrennen.

„Je größer der Zuspruch, desto höher der Druck auf Ministerpräsident Söder, die Forderungen des Volksbegehrens für wirksamen Artenschutz in Bayern auch umzusetzen“

Agnes Becker, Beauftragte von „Rettet die Bienen“

Allerdings will der Bauernverband im Gegenzug weniger Verpflichtungen für seine Landwirte. Die, so die Argumentationslinie, täten ohnehin schon freiwillig genug für die Artenvielfalt. So beteiligten sich viele Bauern an dem Kulturlandschafts- und dem Vertragsnaturschutzprogramm, die umweltschonende Landwirtschaft mit Ausgleichszahlungen förderten. Und dass es 80.000 der insgesamt 100.000 in Deutschland heimischen Arten auch in Bayern gebe, ist in der Logik des Verbands ein Beweis dafür, dass freiwilliges Engagement ausreichend ist.

Inzwischen scheiden sich aber auch innerhalb der Bauernschaft die Geister. So wirft etwa der bayerische Landesverband von Bioland dem Bauernverband in einem offenen Brief bewusste Falschbehauptungen und Stimmungsmache vor. Einige Bioland-Mitglieder sind nun aus Protest aus dem Bauernverband ausgetreten.

Der runde Tisch ist für nächsten Mittwoch terminiert. Eine Einladung von Söder habe man noch nicht bekommen, berichteten der Grüne Ludwig Hartmann und Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz, noch am Montag auf einer Pressekonferenz, aber man werde sich ernst gemeinten Gesprächen nicht verschließen. Bloß: Der Entwurf des Volksbegehrens sei die Messlatte. „Drunter werden wir nicht gehen“, sagte Schäffer. „Wenn es dann noch etwas Besseres gibt, dann werden wir das Bessere unterstützen.“

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