Norwegische Zeitung „Barents Observer“: Russland blockiert Zeitung

Der „Barents Observer“ ist in Russland gesperrt. Grund dafür ist Interview mit Dan Eriksson, der sich als stolzen Schwulen bezeichnet.

Zwei Grenzwächter stehen an der norwegisch-russichen Grenze

An der norwegisch-russischen Grenze: Es geht um mehr als nur einen Artikel Foto: imago/Lev Fedoseyev/TASS

STOCKHOLM taz | Die norwegische Netzpublikation Barents Observer ist seit Dienstag von Russland aus nicht mehr zu erreichen. Roskomnadzor, die russische Aufsichtsbehörde für Massenmedien und Telekommunikation, machte damit eine Drohung wahr, diese Domain für russische Internet-UserInnen zu blockieren, wenn die Redaktion den Text nicht entfernen würde. Was die Redaktion verweigert.

Grund ist ein Interview mit Dan Eriksson, einem Angehörigen der samischen Bevölkerung in Schwedisch-Lappland, der über sein schwieriges Coming-out berichtet und sich nun selbst als „glücklicher und stolzer schwuler Same“ bezeichnet. Dieser Text, den der Barents Observer von der schwedischen Netzzeitung Arjeplognytt übernommen hatte, stellt nach Einschätzung von Roskomnadzor eine „Propaganda für nichttraditionelle sexuelle Beziehungen“ dar. Weil die Publikation ungehindert auch für ein minderjähriges russisches Publikum zugänglich sei, verstoße sie damit gegen russisches Recht.

„So eine Zensur kommt für uns natürlich nicht in Frage“, sagt Thomas Nilsen, Chefredakteur des Barents Observer, der seit 2003 im norwegischen Kirkenes in einer englischen, russischen und seit Kurzem auch in einer chinesischen Version erscheint.

Ursprünglich hatte Roskomnadzor dem Barents Observer schon am 28. Januar eine Frist zur Entfernung gesetzt, diese aber ohne angedrohte Sanktion verstreichen lassen. Was vor einigen Tagen den homophoben Politiker Witali Milonov, Duma-Abgeordneter und Mitglied des außenpoltischen Parlamentsausschusses, veranlasste, gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Fan noch einmal nachzulegen. Er forderte, dass man der norwegischen Regierung auch über diplomatische Kanäle klar machen müsse, dass diese Publikation die norwegisch-russischen Beziehungen schwer belaste.

Nicht einschüchtern lassen

Vermutlich stecke hinter dem jetzigen Vorgehen ­gegen den Barents Observer gar nicht in erster Linie der Artikel, meint Geschäftsführer Atle Staalesen. Einigen Kreisen in Russland sei es wohl ein Dorn im Auge, dass viele russische Medien zunehmend auf diese Publikation Bezug nehmen, die sich auf Nachrichten aus Nordskandinavien und Nordwestrussland spezialisiert hat und dabei auch die wachsende militärische Aufrüstung in der Arktis thematisiert.

Nilsen kündigte Beratungen mit russischen Anwälten an. Man werde sich durch so eine Blockade, die ja beispielsweise auch über VPN-Anwendungen zu umgehen sei, nicht einschüchtern lassen, betont er: „Das ist ein Teil des Versuchs der russischen Behörden, das Internet und die freie Presse zu zensieren. Aber gerade angesichts der dramatischen Veränderungen in der Arktis ist es wichtiger denn je, dass es eine unabhängige Stimme aus dieser Region gibt: Und eben auch eine russische Stimme.“

„Ich war erst sprachlos, dann wütend“, sagt Dan Eriksson. „Ich wollte anhand meines Beispiels doch anderen Menschen nur Mut machen.“ Der norwegische Journalistenverband und die schwedische „Barents Press Sweden“ verurteilen die Blockade. Zwei Netzpublikationen übernahmen auf ihren Seiten den russischen Text des Barents Observer über Eriksson.

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