Kolumne Macht: Das Frauenzählen muss weitergehen

Wenn drei Spitzenpolitikerinnen auf einem Foto das Blut derart in Wallung bringen, dann ist der Weg, der vor uns liegt, doch noch weit.

Drei Stühle

Schon jetzt historisches Mobiliar: die drei Stühle im Schloss Bellevue Foto: dpa

Also, er finde, jetzt müsse allmählich mal Schluss sein mit dem Frauenzählen, sagt ein Freund angesichts des Fotos, das Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der nächsten Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigt. Ganz offensichtlich sei der Kampf um Gleichberechtigung doch gewonnen und die Quote erfüllt. Wenigstens hat er nicht gesagt: übererfüllt.

Nein. Gerade jetzt darf nicht Schluss sein mit dem „Frauenzählen“ – wie diese Reaktion meines Freundes zeigt. Denn er ist ja nicht der Einzige, der irritiert auf das Foto blickt, wenn auch nur wenige zu so bizarrer Lyrik angestachelt werden wie Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner: „Die Frauen haben das Sagen übernommen. Sie sprechen anders als Adam. Sie lächeln, sie umarmen Dich, obwohl ihre Süße Salz ist. Sie sind die Superfrauen. Sie sind das härteste Geschlecht. Sie sind Rosen mit Stacheln.“ Meine Güte.

Eigentlich bin ich kein großer Fan von Quotierungen. Aber wenn schon drei Spitzenpolitikerinnen auf einem Foto das Blut derart in Wallung bringen, dann ist der Weg, der vor uns liegt, doch noch sehr weit und die Quote vermutlich für längere Zeit unvermeidlich. Werden drei Männer in gehobenen Positionen auf einem Bild gezeigt, dann ruft das selbst bei den radikalsten Feministinnen nicht einmal ein müdes Achselzucken hervor. Wer sich über solche Selbstverständlichkeiten aufregen möchte, muss von morgens bis abends Rumpelstilzchen spielen. Schöner sind die Verhältnisse eben noch immer nicht.

Geschlecht schlägt Inhalt?

Allerdings legen nicht nur Männer, die sich von Frauen in Führungspositionen bedroht fühlen, ein seltsames Verhalten an den Tag. Auch solche, die der Entwicklung gütig und wohlwollend gegenüber stehen, benehmen sich oft merkwürdig. Unvergessen all die Hörfunksendungen, in die ich nach der Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin eingeladen wurde, weil ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen sollte. Nun hatte ich sie nicht gewählt und folglich habe ich mich auch nicht gefreut. Sehr zur Enttäuschung der Moderatoren, die mich anschauten, als hätte ich ein besonders liebevoll ausgesuchtes Geschenk zurückgewiesen.

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Geschlecht schlägt Inhalt? Nein, tut es nicht. Ich war und bin auch keine Anhängerin von Margaret Thatcher, und in diesen Tagen schaffe ich es durchaus, meine Begeisterung über die berufliche Zukunft von Ursula von der Leyen und Anne­gret Kramp-Karrenbauer zu zügeln. Die eine ist im Amt der Verteidigungsministerin gescheitert, der anderen wird es meiner Überzeugung nach nicht besser gehen. Ich halte beide mit diesem Posten für überfordert – und zwar nicht, weil sie Frauen sind. Schließlich haben auch viele Männer eindrucksvoll bewiesen, dass sie diesem Ministerium nicht gewachsen waren.

Gegen Angela Merkel lässt sich viel sagen, und der Platz, der für diesen Text zur Verfügung steht, reicht nicht aus, um all das aufzuzählen, was mir dazu einfällt. Für etwas aber bin ich dankbar: Sie hat es – zäh und unermüdlich – geschafft, nicht als Frau beurteilt zu werden. Sondern als Politikerin. Um Inhalte geht es, wenn über sie geredet wird. Um nichts sonst.

Kohls Mädchen? Diese Unverschämtheit liegt zu Recht auf der Müllhalde der Geschichte. „Sie umarmen Dich, obwohl ihre Süße Salz ist“, schreibt Herr Wagner angesichts eines Fotos, auf dem neben anderen auch die Kanzlerin abgebildet ist. Man kann Angela Merkel viel unterstellen, etwas aber wohl kaum: Dass sie diesen Mann umarmt. Süß oder salzig. Das macht Mut.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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