Coronakrise in Indien: Abermals neue Infektionsrekorde

Indien erreicht weiter Höchststände bei den Neuinfektionen und Todesfällen. Die Regierung warnt nun vor einer dritten Pandemiewelle.

Krankenhauspersonal steht zwischen Coronapatienten herum und gestikuliert hektisch

Mit Coronapatienten überfülltes Krankenhaus in Neu Dehli Foto: Danish Siddiqui/reuters

MUMBAI taz | Angestellte im Gesundheitswesen haben die anrollende zweite Coronawelle in Indien bemerkt, bevor sie das Land zu überrollen begann. Zunächst wurden freie Intensivbetten knapper, inzwischen sind sie rar geworden.

Mit 412.262 Coronaneuinfektionen verzeichnete Indien am Donnerstag erneut einen weltweiten Höchstwert. Zudem meldete das Gesundheitsministerium mit 3.980 weiteren Toten so viele in Verbindung mit dem Virus wie noch nie. Damit stieg die Zahl der bestätigten Ansteckungen binnen 24 Stunden auf über 21 Millionen, die Zahl der Todesfälle erhöhte sich auf mehr als 230.000. Am Samstag hatten die Behörden erstmals mehr als 400.000 Neuinfektionen gemeldet.

Damit sind auch die Preise für die medizinische Versorgung wie für Arzneien gestiegen. Unmut und Ungeduld der Bevölkerung wachsen. Denn selbst wer Geld hat, weiß inzwischen nicht mehr mit Sicherheit, ob er Hilfe bekommt.

Die Ärztin Kanchan Suthar ist mit den steigenden Fällen nun auch wieder an der Corona-Front. Zuletzt arbeitete sie in einer Corona-Impfstation in einem Mutter-Kind-Zentrum im Süden Mumbais. Dass viele Menschen Covid-19 zunächst als Grippe verharmlost hatten, behindere den Kampf gegen das Virus, sagt sie.

Inzwischen ist in Mumbai die Impfpanik ausgebrochen, nachdem dem viele Menschen gegenüber einer Immunisierung zunächst zögerlich waren. Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen. Es bilden sich lange Schlangen vor den Impfzentren. Die Wartenden zeigen wenig Verständnis. Die verheerende Lage im Land mit bis zu 4.000 Coronatoten am Tag sowie die Bilder von Krematorien, die am Limit arbeiten, haben ihren Anteil daran.

Selbst Indiens „Impfstoffprinz“ Adar Poonawalla, in dessen Werk der AstraZeneca-Impfstoff hergestellt wird, hat kürzlich das Land verlassen. Er schilderte den großen Druck, dem er ausgesetzt sei, da die Nachfrage nach Impfstoffen plötzlich so stark angestiegen sei. Die Lieferengpässe in Poonawallas Firma werden wohl bis Juli andauern, heißt es. Auch wird es noch dauern, bis der russische Impfstoff Sputik V in Indien produziert wird.

Hilfe aus dem Ausland

Da sich Indien schon in einer tödlicheren zweiten Welle befindet, räumen Ex­per­t:in­nen wie der wissenschaftliche Berater des Premierministers, Vijay Raghavan, ein, dass eine dritte Welle unvermeidlich sei. Zwar sei der Zeitrahmen noch nicht klar, doch steckt das Land zunehmend in einer Zwickmühle.

Nach fast zwei Jahrzehnten selbstbewusster Ablehnung nimmt Indiens Regierung jetzt erstmals wieder internationale Hilfe im großen Stil an. 40 Staaten haben jetzt Unterstützung zugesagt. Über 25 Flugzeuge mit Hilfgütern sind bereits in Neu-Delhi gelandet. Daunter ist nun auch Unterstützung der deutschen Bundesregierung unter anderem mit Beatmungsgeräten und einer mobilen Sauerstoffanlage. Noch verlangsamen bürokratische Hürden die Verteilung der Hilfsgüter.

Dabei ist die Versorgungskrise mit Sauerstoff für künstliche Beatmungen noch nicht ausgesessen. Außerhalb der Hauptstadt Delhi werden auch aus dem Süden Todesfälle durch unterbrochene Sauerstoffversorgung gemeldet. Ein Gericht sprach bei den Todesfällen von Covid-19-Patienten in Krankenhäusern durch unzureichende Sauerstoffzufuhr von einem „Genozid“.

Nachdem der Oppositionspolitiker Rahul Gandhi einen landesweiten Lockdown forderte, den es schon in zahlreiche Bundesstaaten gilt, wird das jetzt auch in Delhi diskutiert. Ex­per­t:in­nen bezeichnen inzwischen auch deutlich klarer die in Indien gefundene Virus-Mutante B.1.617 als einen der Gründe für die drastische Infektionslage.

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