KI-Ausstellung in München: Mensch trifft Maschine

Das Verhältnis des Menschen zum technischen Diener bleibt ambivalent. Eine KI-Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne erörtert das.

Nachgebauter menschlicher Arm und dunkle metallene Armprothese

Zwischen Realität, Utopie und Dystopie: Ausstellungsansicht mit Arm/Prothese Foto: Neue Sammlung

Beziehungsstatus: Es bleibt kompliziert. Auf der einen Seite nutzt der Mensch seine Intelligenz, um immer komplexere technische Assistenten zu erschaffen, die ihm nicht nur Aufgaben abnehmen, sondern manches viel besser können als er selbst. Auf der anderen Seite allerdings überfordert es die Gefühlswelt ebenjenes intelligenten Individuums, wenn die Maschine dann mehr wird als bloßer Diener, wenn der Automat in einigen Bereichen den Menschen überflüssig macht oder in Abhängigkeit drängt.

Kurz: Der größte Erfolg des Menschen auf dem Gebiet der KI – die Erschaffung von Humanoiden, die fühlen, denken, ihn vertreten und ihn dabei übertreffen – wäre zugleich sein größter Horror. Der totale Roboter wäre nicht mehr beherrschbar. Die perfekte künstliche Intelligenz wäre eigenständig. Und wo Platz für Angst ist, ist auch Raum für Fantasie: Von Mary Shelleys „Frankenstein“ bis zu Steven Spielbergs hellsehenden „Precogs“ im „Minority Report“ faszinieren und beunruhigen KI-Systeme die Menschheit – die sie in Szenarien der Popkultur dann gern auch mal zu vernichten droht.

Das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Maschine ergründet derzeit die Schau „KI.Robotik.Design“: In vier Kapiteln zeigt die Pinakothek der Moderne einzelne Etappen der historischen Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Dabei macht sie große Gedankensprünge, von Leonardo da Vinci über den IBM-Schachcomputer bis in die Gegenwart, endet aber versöhnlich, indem sie Angstszenarien verständlich kontextualisiert – das ist das große Verdienst der Macher.

Munich School of Robotics and Maschine Intelligence

Gestaltet hat die Schau der Münchner Robotik-Professor Sami Haddadin, der die Munich School of Robotics and Machine Intelligence (MSRM) leitet – und dem es gelingt, das komplexe Thema interessant, kreativ und vor allem humoristisch zu vermitteln.

Der historische Teil der Ausstellung bleibt zunächst beschreibend: Er reicht von Leibniz’ Rechenmaschine – die schon den binären Code aus 1 und 0 nutzt – bis zur Videoaufzeichnung eines Rechencomputers, der fähig ist, eingespeistes Wissen selbstständig zu reproduzieren.

KI.Robotik.Design läuft bis zum 18. September, Pinakothek der Moderne, München

Auch an IBMs Schachcomputer „Deep Blue“ wird erinnert, den Garri Kasparow zwar erst besiegte, dem der Schachweltmeister dann aber unter Turnierbedingungen unterlag.

Heute sind Maschinen sogar „sensibel“ – wie der taktile Roboter der Firma Franka Emika, dessen Prototyp aus der Werkstatt von Haddadins Team stammt und der auf Störungen der Produktionsabläufe reagiert, etwa wenn eine Menschenhand in die Maschine gerät.

Die Rede von Wladimir Putin, die er nie hielt

Im zweiten Kapitel stellt sich dann die wohl unvermeidliche Frage von Moral und Missbrauch: Hier wird am Beispiel von Wladimir Putin eine Stimmverzerrungs- und Gesichtsverfremdungssoftware vorgeführt, die jede beliebige Stimme zu der des russischen Staatspräsidenten macht und perfekte Lippensynchronität herstellt. Nie waren Fake News einfacher: In einem Video sieht man Putin eine Rede halten – die es so nie gab.

Klar wird: KI kann schon jetzt die Art, wie wir die Welt wahrnehmen, manipulieren. Selbst der geschulte Blick kann nicht erkennen, ob hier nicht ein Staatsmann einen Weltkrieg erklärt. Gerade im Bereich der Kinderpornografie ließe sich eine solche Software in verheerender Weise einsetzen – durch die Manipulation von Badefotos, die sorglose Eltern ins Netz stellen, und durch die passgenaue künstliche Anpassung der kindlichen Gesichtszüge an einen neu geschaffenen Kontext.

Im dritten Kapitel wird gegen dieses angstbesetzte Szenario sofort gegengehalten: Mensch und Maschine gehen hier eine Symbiose ein – mit intelligenten Prothesen nämlich, die sich durch das Gehirn des Trägers steuern lassen. Voraussetzung war, eine Art Körperwahrnehmung in die Technik zu programmieren, die ein Bewusstsein von Räumlichkeit und damit sinnvolle Bewegungsabläufe wie den Griff zur Türklinke ermöglicht.

Zusammenspiel von Mensch und Maschine in Echtzeit

Das vierte Kapitel – eine Einzelinstallation über zwei Etagen – holt dann nicht nur den gegenwärtigen Stand der Forschung ins Museum, sondern schafft Aktualität in Echtzeit: Ein Computerarm zeichnet auf Papierbahnen Umrisse von Gebilden, die sich einerseits aus spontanen Tweets der Besucher und andererseits aus dem Informationsfluss der weltweit größten Nachrichtenseiten speisen.

Ausgewählt werden Seiten und Informationen, die digital besonders viele Zugriffe bekommen: Das kann das Aufmacherbild der New York Times sein oder ein Video, das gerade viral geht. Die Zeichnungen werden mittels KI zurück ins Netz gespielt und über das Twitteraccount der Maschine getwittert.

Damit übersetzt die Installation die Gedanken von Menschen in eine ihr eigene Sprache, die ihr wiederum ermöglicht, in Echtzeit mit dem Menschen im Museum zu kommunizieren: Mit seinen Sinnen kann der Besucher aus den Umrissen die News – beispielsweise den Petersdom – „herauslesen“.

Die Idee des Dialogs zwischen Kunstwerk und Betrachter ist hier so verspielt wie mathematisch-nerdig umgesetzt – ein intelligenter Ansatz, der vorangegangenen Angstszenarien die letzte Schärfe nimmt und dem es vielleicht gelingt, Mensch und Maschine kurzzeitig zu versöhnen.

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