Krimineller Holzhandel in Belarus: Staatsmacht gegen Rentnerinnen

Staatliche Stellen haben offenbar illegal die Fällung uralter Eichen veranlasst. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 113.

Eine braun gefärbtes Eichenblatt

Von den Eichen in Ochowo blieb zum Schluss nur noch trockenes Laub übrig Foto: Jonathan Schöps/imago-images

Diese Geschichte hat bereits im letzten Frühjahr begonnen. In der Kleinstadt Ochowo im Bezirk Pinsk gibt es einen Friedhof. Er ist von Eichen umgeben, die fast dreihundert Jahre alt sind.

Im September gab es in Ochowo eine öffentliche Anhörung, bei der es um die Frage ging, ob man einige der alten Bäume am Friedhof entfernen solle. Der Appell dazu richtete sich vor allem an diejenigen Einwohner, deren Angehörige hier bestattet sind. Im Verlauf der Anhörung stimmten 29 Menschen dafür, dass die alten Bäume, die theoretisch die teuren Grabsteine beschädigen könnten, gefällt würden. Neun Menschen sprachen sich gegen die Beseitigung der Bäume aus, die ihrer Meinung nach sowohl von historischer Bedeutung als auch Naturdenkmäler seien.

Das regionale Exekutivkomitee des Bezirks Pinsk hatte jedoch bereits im Frühling den Einwohnern von Ochowo erklärt, dass die Fällarbeiten an den Eichen nicht durchgeführt würden, weil Botaniker von der Akademie der Wissenschaften diese Bäume zu Forschungszwecken hatten nutzen wollen. Nach deren Gutachten seien alle Bäume auf dem Friedhof kräftig und gesund. Und daher gebe es keinerlei biologische Notwendigkeit, sie zu fällen.

Anfang Dezember überlegten sich die lokalen Behörden allerdings plötzlich, dass die jahrhundertealten Eichen einer geplanten Stromleitung im Wege seien. Zu diesem Ergebnis sei man im lokalen Forst- und Architekturbüro gekommen. Und darum wurden die Bäume gefällt.

Scheinbar wollte jemand Geld aus den Bäumen machen

Interessanterweise berichteten Anwohner, vor deren Augen die Fällarbeiten auf dem Friedhof durchgeführt wurden, dass es dabei nicht um den Rückschnitt einzelner Äste, die die Stromleitung behinderten, ging, sondern um die saubere Abholzung der ganzen Bäume. Zuerst wurden den Eichen alle Äste und Zweige abgeschnitten, es blieben nur die Stämme übrig. Dann wurde auch die abgesägt.

Auf diese Weise fällt man eigentlich besonders wertvolle Bäume und nicht solche, die einfach als Brennholz genutzt werden sollen. Über den Zustand einer bereits abgeschlagenen Eiche kann man sich auf Fotos informieren, die die Menschen aus Ochowo gemacht haben. Darauf sieht man, dass der Baum gesund und kräftig gewesen war. Man erkennt weder Fäulnis noch Parasitenbefall. Sogar in Belarus haben solche Bäume einen hohen Wert, gar nicht zu reden von ihrem Preis auf dem Weltmarkt. Es scheint, als ob jemand darin wertvolles Material erkannt habe, dass er selber haben wollte.

Interessant auch, dass die Arbeit an den angeblich gefährlichen Bäumen ausgerechnet im Dezember begann, als es nicht möglich war, weitere Untersuchungen durchzuführen und den Zustand der Eichen näher spezifizieren zu können. Experten führen solche Untersuchungen nur in der Vegetationsperiode durch.

Записи из дневника на русском языке можно найти здесь.

Nach der Fällung des ersten Baumes versammelten sich die Rentnerinnen des Ortes am Eingangstor des Friedhofes und erklärten, dass sie keine Arbeiter auf das Gelände lassen würden. Sie wandten sich mit der Bitte um Unterstützung auch telefonisch an die Lukaschenko-Regierung. Dann ließen sich die Pensionärinnen direkt an den Bäumen nieder.

Zur Klärung der Situation schickte die lokale Verwaltung OMON-Männer (Sondereinheit der Polizei, die v.a. gegen Demonstrierende eingesetzt wird; Anmerkung der Redaktion) nach Ochowo. Das ist also offenbar der ganz spezielle Zweck dieser Sonderabteilung der Miliz – gegen Babuschkas vorgehen. Der Leiter des Kreiskulturhauses, Alexander Demtschuk, der wohl auf einen der Bäume geklettert war, wurde festgenommen. Zuvor hatte er sich bereits an alle möglichen Instanzen gewandt, inklusive des Botanischen Instituts der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Belarus und sogar an die Regierung von Lukaschenko, hatte sich bemüht, Aufmerksamkeit für die Bäume zu bekommen, die nach Meinung der Menschen aus Ochowo wert waren, als Naturdenkmäler anerkannt zu werden.

Jetzt sind von den Eichen nur noch die Baumstümpfe übrig, Demtschuk wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt und die Einwohner von Ochowo merken, dass sie sich an die Bäume wie an ihre verstorbenen Verwandten erinnern, die im Leben viel gesehen haben.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.