Urteil zur Haft von Deniz Yücel: Erdoğan verhöhnt Europa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Türkei zu recht verurteilt. Doch das wird den türkischen Präsidenten nicht aufhalten.

Junge demonstrantin mit dunklen Zöpfen hält auf einem Auto ein Schild "FreeDeniz

Yücels Haft sorgte in Deutschland für viele Proteste wie diesen Autokorso, Februar 2017 Foto: Christian Mang

Völlig zu Recht und wie erwartet hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei wegen der einjährigen Inhaftierung des deutschen Journalisten – und ehemaligen taz-Kollegen – Deniz Yücel verurteilt. Wieder einmal hat der Straßburger Gerichtshof festgestellt, dass die Türkei die europäischen Menschenrechte missachtet. Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan scheint die Europäische Menschenrechts-Konvention nicht mehr zu interessieren als der Abfallkalender von Altötting.

Das Yücel-Urteil wird allerdings in Deutschland viel mehr wahrgenommen als in der Türkei. Denn Yücel ist in Deutschland als Journalist bekannt geworden und arbeitete als Korrespondent für ein deutsches Medium. Außerdem ist der Journalist seit 2018 wieder auf freiem Fuß. Und in der Türkei existieren leider zurzeit noch viel krassere Fälle von Menschenrechtsverletzungen.

Das aktuelle Verhältnis zwischen Europa und der Türkei wird sich deshalb eher an den Fällen des regierungskritischen Mäzens Osman Kavala und des prokurdischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş entscheiden. Beide sind aus offensichtlich konstruierten Gründen schon seit Jahren in Haft. Bei beiden hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Inhaftierung beanstandet und die Freilassung gefordert. In beiden Fällen schiebt die türkische Justiz immer wieder neue Anschuldigungen nach, um die Freilassung zu verhindern. Präsident Erdoğan zeigt damit, dass er sich für stark und unangreifbar hält, und genau dass soll auch die türkische Bevölkerung sehen.

Wegen Nichtumsetzung der Kavala-Entscheidungen des EGMR wird wohl noch im Februar ein Verfahren auf Ausschluss der Türkei aus dem Europarat (zu dem der EGMR gehört) eingeleitet. Doch das Verfahren ist langwierig und gibt Erdoğan noch viel Gelegenheit, Europa zu verhöhnen – selbst wenn er in einigen Jahren wohl noch einlenken wird. Dennoch ist das Ausschlussverfahren alternativlos. Denn es zeigt auch, dass Europa die Menschen in der Türkei und ihre Menschenrechte wichtig sind.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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