Gambia beim Afrika-Cup: Trainer mit Überraschungsmoment

Tom Saintfiet hat schon viele Mannschaften trainiert. In Gambia hat er nun sein Glück gefunden und steht mit seinem Team im Viertelfinale.

Gambia Trainer Saintfiet legt den Arm um die Schulter seines guineischen Kollegen Kaba Diawara

Kollegengespräch. Tom Saintfiet im innigen Dialog mit seinen guineischen Kollegen Kaba Diawara Foto: ap

KÖLN taz | Am Samstag wird der ramponierte Rasen des Stade de Japoma in Kameruns Hafenstadt Douala noch einmal so richtig beansprucht. Dann wird das Team der Gastgeber auf den krassen Außenseiter Gambia treffen. Die „Scorpione“, wie Gambias Nationalspieler in ihrer Heimat genannt werden, sind bislang das ganz große Überraschungsteam beim Afrika-Cup 2022.

Gernot Rohr, ehemaliger Trainer

„Gambia spielt so kompakt und systemsicher wie keine andere Mannschaft!“

„Es ist ein Vergnügen, ihnen zuzusehen“, sagt etwa Gernot Rohr. Der ehemalige Nationaltrainer Nigerias beobachtet das Turnier mittlerweile aus Expertensicht und hat den „Hauptschuldigen“ für den unerwarteten Höhenflug auf dem Trainerstuhl ausgemacht: „Tom Saintfiet hat der Mannschaft ein unverwechselbares Gesicht gegeben. Gambia spielt so kompakt und systemsicher, wie bislang keine andere Mannschaft im Turnier.“

Saintfiet, ausgerechnet Saintfiet. Man kennt den „Messias“, wie der 48-Jährige in Afrika von vielen genannt wird, eher als gewieften Weltenbummler denn als langfristig engagierten Bauherren eines Fußballteams. Der Belgier, der rein äußerlich mit seinem beleibten Oberkörper, Löwenmähne und Fünftagebart auch als alternder Rockstar durchgehen könnte, war schon Trainer von acht verschiedenen Nationalmannschaften. Er hat seit 2010 in 15 verschiedenen Ländern gearbeitet – von Bangladesch über den Jemen, Finnland, die Färöer bis hin zu Gambia, wo er derzeit mit einem der kleinsten Länderr des Turniers den Afrika-Cup aufmischt.

Saintfiet, der Sportpsychologie und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, kommt mit seinem Leben als Groundhopper-Fußballtrainer bestens klar: „Der Ball lebt nur, wenn es um etwas geht“, hat er einmal gesagt. Und: „Wenn es zur Routine wird, lohnt es sich nicht mehr.“

Dauerthema Migration

In Gambia lohnt es sich, hat er entschieden. Schon seit 2018 ist er in dem westafrikanischen Land Nationaltrainer – einsamer Rekord für ihn. Tom Saintfiet mag schwierige Situationen, kennt sich aus in prekären Lebenssituationen. Seine gambischen Nationalspieler hat er vor Beginn des Turniers in einer belgischen Wochenzeitschrift in drei Kategorien unterteilt: „Diejenigen, die nach Europa auswandern wollen, Auswanderer und Enkel von Auswanderern.“

In Simbabwe musste er einmal als Nationaltrainer bei Nacht und Nebel auf der Ladefläche eines Lieferwagens ins benachbarte Botswana flüchten. Seine Ernennung zum Nationaltrainer hatte einigen im Fußballverband nicht gefallen, sie hatten einen Einheimischen auf dem Posten bevorzugt. Saintfiet wurde eine Aufenthalts- aber keine Arbeitserlaubnis erteilt. Eines Nachmittags – während einer Trainingseinheit – wurde Tom Saintfiet vom Generalsekretär des Fußballverbandes darüber informiert, dass Präsident Mugabe einen Haftbefehl gegen ihn erlassen würde, weil er ohne Arbeitserlaubnis einem Job nachging. Es blieb nur die 500-Kilometer-Flucht ins Nachbarland.

In Bangladesch bekam er einst ein dreimonatiges Engagement als Nationaltrainer angeboten. Als er in der Hauptstadt Dhaka in seinem Hotel ankam, wurde er von einem Dutzend Soldaten mit Kalaschnikows im Anschlag empfangen. In der Nachbarschaft hatte der IS zwei Tage zuvor einen Bombenanschlag verübt. „Wir können ihre Sicherheit hier nicht garantieren“, wurde Saintfiet eröffnet. Er blieb und erfüllte seinen Vertrag – und verließ seine Herberge in einem Hotel für den Weg zum Training nur mit Geleitschutz.

Überhaupt Bangladesch. „In diesen Ländern bekommst du als Trainer nur noch Einmonatsverträge, wenn ihr eure Pläne durchsetzt“, legte er sich kürzlich während einer von der Fifa organisierten Videokonferenz mit Arsène Wenger an. Der ehemalige Arsenal-Coach und heutige Fifa-Berater hatte vorgeschlagen, Qualifikationsspiele zu bündeln und acht Partien in drei Wochen durchzuführen. „Keiner dieser armen Verbände bezahlt einen Trainer sechs Monate lang, wenn in dieser Phase keine Spiele stattfinden“, präzisierte er.

Saintfiet scheut keine Konfrontation, wenn es ihm um die Sache geht. „So was habe ich selbst auf diesem Kontinent noch nie erlebt“, polterte er vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz beim Afrika-Cup. „Während die großen Teams in Palästen schlafen, hat mein kleines Gambia ein indiskutables Hotel zugewiesen bekommen. Meine Jungs schlafen zu sechst in einem Zimmer, manche liegen zu zweit in einem Bett. Wir verdienen – verdammt nochmal – mehr Respekt!“ Davon wollen sich die Spieler und ihr Trainer am Samstag noch mehr erarbeiten. Mit einem Sieg über den Gastgeber und großen Favoriten Kamerun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.