Menschenrechtsorganisation über Israel: Auch Amnesty wagt das A-Wort

Amnesty International nennt die israelische Politik gegenüber den Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen „Apartheid“. Israel sieht sein Existenzrecht in Gefahr.

Eine Frau geht an einer Grenzanlage entlang

Wo sich laut Amnesty Diskriminierung zeigt: Der Qalandiya-Checkpoint im Westjordanland Foto: Debbie Hill/imago

TEL AVIV taz | Schon am Tag vor der offiziellen Veröffentlichung des Berichts der international tätigen Menschenrechtsorganisation Amnesty International ging es in den sozialen Medien rund. „Antisemitismus“ twitterten die einen, von „Pro-Apartheids-Propagandisten“ schreiben die anderen.

Der Aufruhr dürfte vor allem daher rühren, dass Amnesty International nun ebenfalls den Begriff Apartheid verwendet, um die israelische Politik gegenüber den Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen zu beschreiben. Damit folgen sie der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem und der in New York ansässigen Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch nach, die bereits im vergangenen Jahr bereits das „A-Wort“ gewagt haben.

„Israels Apartheid gegen die Palästinenser“ lautet der Titel des 182-seitigen Berichts mit der Unterzeile: „Grausames Herrschaftssystem und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Wie zuvor schon Human Rights Watch bezieht sich Amnesty International in seiner Definition von Apartheid auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IstGH) und die Anti-Apartheidkonvention. Die Anti-Apartheidkonvention wurde 1973 von der UN-Vollversammlung beschlossen und richtete sich vor allem gegen das damals noch bestehende Apartheidsystem in Südafrika. Mit dem Römischen Statut aus dem Jahr 1998, dem Gründungsdokument des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, wurde das Apartheidsverbrechen der Zuständigkeit dieses Gerichts unterworfen.

Diese Definition von Apartheid – „ein institutionalisiertes Regime der Unterdrückung und Vorherrschaft einer rassischen Gruppe über eine andere“ – sieht Amnesty International in der israelischen Politik gegenüber Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen gegeben.

Forderung nach Sanktionen

Laut Bericht gelte die Apartheid dabei sowohl für Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen innerhalb Israels als auch in den besetzten Gebieten. Auch Palästinenser*innen, die 1948 vertrieben wurden oder geflohen sind und jetzt in anderen Ländern leben, bezieht der Bericht mit ein.

Das Argument der Organisation dafür: Israels Behandlung von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in allen Gebieten folge demselben Ziel: „Jüdische Israelis bei der Verteilung von Land und Ressourcen zu bevorzugen und die palästinensische Präsenz und den Zugang zu Land zu minimieren.“ Die Diskriminierung der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen zeige sich vor allem in den unterschiedlichen Rechten auf Staatsbürgerschaft, bei Enteignungen und in Einschränkungen der Bewegungsfreiheit.

Den Internationalen Strafgerichtshof fordert die Menschenrechtsorganisation auf, das Verbrechen der Apartheid bei seinen laufenden Ermittlungen im Nahostkonflikt in den besetzen Gebieten zu berücksichtigen. Der Bericht spricht sich für ein Waffenembargo gegen Israel aus, sowie für gezielte Sanktionen, etwa gegen israelische Beamte, die „am meisten in das Verbrechen der Apartheid“ verwickelt sind.

Israels Außenminister Yair Lapid warf der Organisation eine antisemitische Agenda vor. Sein Ministerium sagte, der Bericht leugne Israels Recht, „überhaupt zu existieren“.

Diskussion in Deutschland

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnet den Bericht als antisemitisch und rief Amnesty International dazu auf, diesen zurückzuziehen. Israel werde pauschal seit seiner Gründung als Apartheidsystem eingestuft, als jüdischem Staat werde ihm das Existenzrecht abgesprochen.

Die deutsche Sektion von Amnesty International äußert sich auf ihrer Homepage zurückhaltend zu dem Bericht und fügt der Ankündigung der Veröffentlichung einen Absatz „In eigener Sache“ bei. Darin ist zu lesen, dass antisemitische Übergriffe in Deutschland auf einem beunruhigenden Höchststand seien. Daraus und aus der Geschichte der Shoah erwachse eine besondere Verantwortung. Um einer Instrumentalisierung vorzubeugen, sehe die deutsche Amnesty-Sektion davon ab, zu diesem Bericht Aktivitäten zu planen oder durchzuführen.

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