Keine Corona-Zahlen mehr am Wochenende: Ein fatales Datenloch

Das RKI wird künftig nur noch montags bis freitags die Corona-Fallzahlen kundtun. Ein gefährlicher Schritt – der Tür und Tor für Spekulationen öffnet.

RKI-Chef Lothar Wieler im blauen Jacket

Hat sonntags nichts mehr zu melden: RKI-Präsident Lothar Wieler Foto: Melissa Erichsen/dpa

Es ist zu schön, um wahr sein. Sonntags gibt es in Deutschland jetzt kein Corona mehr. Das meldete das Robert Koch-Institut (RKI) am Wochenende. Was wie ein später Erfolg der Zero-Covid-Aktivist:innen klingt, ist leider tatsächlich nicht wahr. Sondern nur ein Problem unseres Gesundheitssystems. Denn weil die lokalen Ämter gern mal ausschlafen und praktisch keine Fälle mehr melden, hat auch das RKI seine Berichterstattung eingestellt.

Aus Sicht des RKI ist das nur konsequent. Lieber keine Zahlen als falsche Zahlen ist das Motto von Deutschlands obersten Coronawächtern. Zu Recht. Denn falsche Zahlen führen in die Irre. Anfang Mai hatte die Meldung des RKI, laut der es an einem Wochenende zu keinem weiteren Coronatoten gekommen sei, die weit verbreitete Fehlinterpretation zur Folge, dass es jetzt aber auch mal gut sei mit Corona.

Tatsächlich gab es zu diesem Zeitpunkt im Durchschnitt noch rund 180 Opfer pro Tag. Sie wurden nur nicht gemeldet und erst später registriert. Gesamtgesellschaftlich ist das sonntägliche Datenloch fatal. Zum einen ist die Zahlenverweigerung des RKI nichts anderes als eine Kapitulation vor den Unzulänglichkeiten des deutschen Gesundheitssystems. Wenn man beim Arztbesuch seine Versicherungskarte vergessen hat, kann man seinen Nachweis zwar mittlerweile per App anfordern.

Die Krankenkasse informiert dann auch umgehend den Arzt – per Fax! Kein Witz. Das nennt sich dann Digitalisierung. Wie gut, dass man nicht mehr auf Brieftauben angewiessen ist. Zum anderen belegt das Wochenendloch aber auch, wie leichtfertig mittlerweile mit der Pandemie umgegangen wird. Offenbar nimmt sie niemand mehr ernst.

Zwar besteht aktuell kein Grund zur Panik. Aber nur wer verlässliche Zahlen hat, kann die momentan angebrachte Laisser-faire-Politik auch wirklich begründen. Wenn aber Zahlen fehlen, öffnet das Tür und Tor für Spekulation. Datenblindheit ist die Grundlage für verschwörerische Verharmlosung genauso wie für übertriebene Panikmache. Gesund ist nichts davon.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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