Energiekrise in Deutschland: Wiedergänger namens Atomdebatte

Es scheint paradox, in einer Energiekrise die letzten Atommeiler abzuschalten. Doch die Debatte bestimmen Regionalegoisten und Zukunftsignoranten.

Wasserdampf eines Kühlturms spiegelt sich in einem Fluß

Isar 2 im Bayerischen Essenbach Foto: ARmin Weigel/dpa

Die Atomkraft spielt hierzulande keine große Rolle mehr – auch nicht für die Energieversorgung im kommenden Winter. Wenn die drei letzten noch produzierenden Atomkraftwerke über den geplanten Abschalttermin am 31. Dezember hinaus am Netz blieben, wäre dies vor allem ein Akt innen- wie außenpolitischer Kompromissfähigkeit.

Die alten Brennelemente in den Anlagen Emsland in Niedersachsen, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern werden dann teilweise verbraucht sein. Bei einer Neubestellung wäre Ersatz erst im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten. Damit die Kraftwerke noch über den Winter laufen können, müsste man deshalb ihre Elektrizitätsherstellung verringern und strecken. Dann ersetzen sie allerdings nur rund ein Prozent der Strommenge, die mit Gas erzeugt wird. Ein Prozent ist nicht nichts – aber daran hängt nicht das Schicksal der deutschen Energieversorgung.

Wichtiger ist die politische Bedeutung des Weiterbetriebs. Trotz aller Sachargumente erscheint es auf den ersten Blick absurd, funktionierende Kraftwerke abzuschalten, während sich gerade eine massive Energiekrise entwickelt. Gerade in den süddeutschen Industriezentren machen sich manche Unternehmen Sorgen, weil sie weit weg von den großen Windkraftanlagen sind. Und auch den Bür­ge­r:in­nen der europäischen Nachbarländer könnte das AKW-Ende paradox vorkommen, wenn sie selbst Gas sparen sollen, damit in Deutschland die Herde und Heizungen nicht ausgehen.

Diese Erwägungen mögen es manchen Grünen wie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und Umweltministerin Steffi Lemke nun ratsam erscheinen lassen, über ihren Schatten zu springen und dem zeitlich begrenzten Weiterbetrieb vor allem von Isar 2 zuzustimmen.

Trotzdem ist die deutsche Atomdebatte auch ein Wiedergänger. Vor allem für Kernkraftwerke stark machen sich jetzt wieder Regionalegoisten und Zukunftsignoranten wie CSU-Chef Markus Söder, die eher einen Atomunfall riskieren, als Windräder zu genehmigen. Von einer kurzen Wiederaufnahme in diesem Winter abgesehen sollte die Rolle der AKW – bitte, bitte – ausgespielt sein.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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